Ob mit Fotos aus Kindertagen, Liedern aus der Grundschule oder Süßigkeiten, die es nur bei dem einen Kiosk immer gab – gelegentlich tut es einfach gut, in Erinnerungen zu schwelgen. Aber vielleicht hat Nostalgie noch einen anderen Sinn, zeigt eine neue Studie: Demnach könnten nostalgische Gefühle einen Einfluss auf die neurologische Schmerzwahrnehmung haben.
Warum haben wir Schmerzen?
Unser Gehirn ist mindestens so komplex wie die Aufgaben, die es tagtäglich absolviert. Dabei bedürfen die meisten höheren Funktionen der Zusammenarbeit von mehreren Bereichen. Man spricht auch von Schaltkreisen, da je nach Aufgabe Nervenbahnen aktiviert oder gehemmt, angeschaltet oder ausgeschaltet werden. WissenschaftlerInnen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften konnten nun zeigen, dass eine solche Wechselwirkung auch bei der Schmerzwahrnehmung besteht: In einer fMRT-Studie (funktionale Magnetresonanztomographie) gelang es ihnen, einen Zusammenhang zwischen Nostalgie und Schmerzlinderung zu erkennen. Ein solcher Effekt ist besonders im Kontext von chronischen Schmerzen relevant. Physischer Schmerz ist normalerweise bedingt durch äußere Reize, die über Nervenbahnen im Körper, Rückenmark und Gehirn weitergegeben und verarbeitet werden. Er dient als Warnsignal, damit wir zum Beispiel unsere Hand von der Herdplatte nehmen, bevor bleibende Schäden entstehen. In seltenen Fällen kann es aber auch zu Schmerzen kommen, denen kein äußerer Reiz zugrunde liegt. In diesem Fall spricht man von chronischen Schmerzen.
Reize niedriger bewertet beim Empfinden von Nostalgie
Als mögliche nicht-medikamentöse Therapie untersuchte nun ein Forschungsteam um Ming Zhang wie sich das Schmerzempfinden durch Gefühle verändern lässt. Aus vorherigen Studien wussten die WissenschaftlerInnen, dass positive Emotionen Einfluss auf die Schmerzwahrnehmung haben. Daher gingen sie in ihrer aktuellen Studie, die im „Journal of Neuroscience“ veröffentlicht ist, speziell der Frage nach, ob mit positiven Emotionen verknüpfte Erinnerungen und Nostalgie einen analgetischen (schmerzlindernden) Effekt besitzen. Die Teilnehmenden wurden dafür einem Hitzeschmerzreiz ausgesetzt, während ihre Hirnaktivität mittels fMRT-Scanner beobachtet wurde. Außerdem wurden den ProbandInnen während des Experiments verschiedene Bilder gezeigt, die entweder neutrale oder nostalgische Dinge zeigten, zum Beispiel Süßigkeiten, Comics oder Spiele aus Kindertagen. Dabei stellten die Forschenden fest, dass das Schmerzempfinden während des Betrachtens nostalgischer Bilder im Vergleich mit neutralen Bildern signifikant niedriger war. Bei schwächeren Schmerzreizen erwies sich dieser analgetische Effekt als besonders deutlich.
Positive Erinnerungen verhindern Schmerzweiterleitung
Die während der Untersuchung gemessene Hirnaktivität bestätigt den gefundenen Effekt: Bei Personen, die gerade nostalgische Bilder sahen, waren zwei Schmerzzentren in der Großhirnrinde deutlich weniger aktiv. Gleichzeitig fanden die WissenschaftlerInnen im vorderen Teil des Thalamus besonders viel Aktivität. Da dieser Bereich des Gehirns als Umschaltstelle für die Weiterleitung von Reizen gilt, gehen die Forschenden davon aus, dass die Nostalgie die Weiterleitung des Schmerzreizes blockiert. „Der Thalamus spielt eine Schlüsselrolle als zentrales Verbindungsstück für den schmerzlindernden Effekt“, erklärt Zhang.
Die Forschenden sehen in dem Fund einerseits die Bestätigung, dass Gefühle die Schmerzwahrnehmung beeinflussen können. Außerdem könnte der gefundene Mechanismus für die Schmerztherapie genutzt werden, bemerken die WissenschaftlerInnen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. Gerade bei leichten Schmerzen sei der Effekt so deutlich, dass die Nostalgie sogar als Alternative zu medikamentösen Therapien genutzt werden könnte, erklären Zhang und sein Team.
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