Natriumchlorid, auch bekannt als Kochsalz, ist ein lebenswichtiges Mineral. Doch ein übermäßiger Konsum dieses Stoffes steht in Verbindung mit diversen gesundheitlichen Risiken. Auch für Betroffene der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose wurde eine salzreiche Ernährung bisher als nachteilig angesehen.
Mausmodell macht Salz zum Übeltäter
Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung, bei der das Immunsystem die Ummantelung der Nervenbahnen im zentralen Nervensystem (ZNS), die Myelinscheiden, angreift. Während die Ursache für diese Autoimmunerkrankung weiterhin unbekannt ist, gibt es einige Faktoren, die das Risiko zu steigern scheinen. So zeigten einige Studien an Mäusen mit sogenannter ‚experimenteller autoimmuner Encephalomyelitis‘ (EAE), einer Erkrankung, die MS ähnelt, dass eine erhöhte Salzaufnahme zu einer Krankheitsverschlechterung führte.
Forschende vom Max-Planck-Institut für Neurobiologie in Martinsried stellten nun jedoch das genaue Gegenteil fest: Sie untersuchten die Auswirkungen einer salzreichen Ernährung auf die Autoimmunerkrankung im Mausmodell und fanden heraus, dass die Tiere mit erhöhtem Salzkonsum ein deutlich geringeres Krankheitsgeschehen aufwiesen. Diese Diskrepanz führten sie auf einen entscheidenden Fehler in früheren Studien zurück.
Neues Modell zeigt gestärkte Blut-Hirn-Schranke
Das Krankheitsmodell, das die anderen Studien verwendeten, ist für den Forschungszweck induziert. Das heißt, den Mäusen werden Proteine verabreicht, durch die sie künstlich die MS-ähnliche Erkrankung entwickeln. Bei dieser ‚aktiven EAE‘ kommt es aufgrund der injizierten Stoffe zu einer Öffnung der Blut-Hirn-Schranke. So können vermehrt T-Zellen in das ZNS eintreten, die dann die für MS typischen Entzündungen hervorrufen. Dieser Prozess findet aber beim Menschen so nicht statt.
Das Forschungsteam des MPI dagegen nutzte ein Modell mit ’spontaner EAE‘. Das heißt, die Mäuse entwickelten die Krankheit genetisch bedingt ohne Zutun der Forschenden. Dabei stellte das Team fest, dass eine salzreiche Ernährung die Erkrankung sogar unterdrückte. Der erhöhte Natriumspiegel führte zu einer Stärkung der Blut-Hirn-Schranke der Mäuse und verhinderte somit, dass T-Zellen in das zentrale Nervensystem eintraten. Auf diese Weise wurden die Myelinscheiden, die Ummantelung der Nerven, vor einem Angriff der Immunzellen geschützt und frühe Krankheitsprozesse unterbunden.
Alte Annahmen überdenken
Die Forschenden schlussfolgern, dass ein moderat erhöhter Salzkonsum potentiell vorteilhafte Effekte auf die Autoimmunität des zentralen Nervensystems bei Mäusen hat. Die spontane EAE kommt dem frühen Stadium von Multipler Sklerose beim Menschen näher als die sonst verwendeten Krankheitsmodelle und ist somit für diesen Forschungszweck besser geeignet. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen außerdem, dass frühere Annahmen, die auf dem alten Mausmodell basieren, revidiert werden sollten. Wie sich eine salzreiche Ernährung allerdings bei Menschen mit Multipler Sklerose auswirkt, ist umstritten und wurde noch nicht systematisch untersucht.
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