Krebs entsteht, wenn gesunde Körperzellen mutieren. Durch unkontrollierte Vermehrung und wucherndes Wachstum können gutartige Gewebe binnen kürzester Zeit von Tumorzellen verdrängt werden. Maligne Zellbestände sind vor allem deshalb gefährlich, weil sie aufgrund ihres veränderten Auftretens von der körpereigenen Immunabwehr nicht erkannt werden. Andererseits eröffnen jene Mutationen individuelle Angriffspunkte, mit denen die Behandlung von Tumoren revolutioniert werden könnte. Forschende der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin diskutierten kürzlich die neuartigen Möglichkeiten der personalisierten Krebsmedizin, vor allem im Zusammenhang mit Lungenkarzinomen.
Lungenkrebs im Fokus der Untersuchungen
Mit mehr als 50.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist die Lunge hierzulande das am häufigsten von Krebs betroffene Organ. Doch nicht nur das zahlreiche Vorkommen von Lungenkrebs macht die Krankheit gefürchtet: Bronchogene Karzinome werden meist zu spät entdeckt, oftmals haben sich schon vor der Diagnose zahlreiche Metastasen gebildet. Infolgedessen sterben jährlich etwa 70% aller von Lungenkrebs Betroffenen, wie deutsche Statistiken zeigen.
Trotz allem verlaufen Krebserkrankungen recht verschieden: „So wie die Patientinnen und Patienten sich unterscheiden, bringt auch jeder Tumor seine individuellen genetischen Eigenschaften mit sich“, erklärt Professor Rohde. Jene einzigartigen Unterscheidungen bei Karzinomen wurden in den letzten Jahren eindringlich untersucht – sie sind Grundlage für die personalisierte Krebsmedizin.
Mutationen bieten Therapie-Angriffspunkte
Im Fokus der personalisierten Medizin stehen sogenannte Treibermutationen, mit denen das Wachstum der Krebszellen von äußeren Einflussfaktoren entkoppelt wird. Üblicherweise werden Wachstums- und Teilungsprozesse von Zellen durch bestimmte Wachstumsfaktoren angeregt, welche an der Zelloberfläche mit passenden Rezeptoren binden. Folglich würde im Inneren der Zelle eine mehrstufige Signalkette ausgelöst werden, die durch die Freisetzung verschiedener Enzyme vorangetrieben wird: Unter anderem sind dabei sogenannte Tyrosinkinasen beteiligt.
Bei etwa 25 Prozent aller Lungenkarzinome funktioniert dieser Signalweg ohne äußere Wachstumsfaktoren. Mithilfe von Tyrosinkinasehemmern wird die durchschnittliche Lebensdauer von Krebspatienten jedoch um mehr als 20 Monate verlängert. Ein anderes an der Signalkette beteiligtes Enzym, nämlich K-RAS, könnte ebenfalls bald für die Entwicklung eines Wirkstoffs genutzt werden. „Für Patienten mit K-RAS-Mutationen gibt es bislang keine Therapieoption, weil Tyrosinkinasehemmer hier nicht wirken“, bedauert Gernot Rohde. K-RAS-Hemmer befinden sich jedoch bereits in Studien der klinischen Phase II: Sie erwiesen sich bisher als hochwirksam und könnten die Lebenserwartung von knapp 40 Prozent aller Lungenkrebspatienten erhöhen.
Kombinierte Behandlung als Erfolgskonzept
Bronchialkarzinomzellen besitzen vermehrt bestimmte Oberflächenmoleküle, welche die Neutralisierungsfunktion von Immunzellen unterbinden. Entpuppen sich Antikörper-basierte Wirkstoffe weiterhin als erfolgreich, so könnte die Hemmung der Immunantwort gestoppt werden. Damit wäre das Abwehrsystem in der Lage, maligne Zellstrukturen zu erkennen und abzutöten. In Kombination mit bewährten Behandlungen, wie beispielsweise der Chemotherapie, stehen die Chancen auf eine erfolgreiche Therapie besser als je zuvor. „Die Entdeckung der Immuncheckpoints und der Treibermutationen (…) hat die Lungenkrebstherapie in den vergangenen Jahren revolutioniert“, so das Fazit des Krebsmediziners Rohde.
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