Eine Krebserkrankung führt zu zahlreichen Veränderungen im menschlichen Körper. So berichten Betroffene je nach Tumor von Leistungsabfall, nicht zuordenbaren Schmerzen oder chronischen Wunden. Darüber hinaus beeinflussen Krebszellen in den meisten Fällen den Stoffwechsel. Einem deutschen Forschungsteam gelang es nun, Stoffwechsel-Produkte zu identifizieren, die eine zentrale Rolle bei der Früherkennung und Überwachung von Krebs spielen könnten.
Zahlreiche Blutproben analysiert
Im Zuge ihrer Untersuchungen griffen die Wissenschaftler auf die sogenannte Kernspinresonanz-Analyse (NMR-Analyse) zurück. Mittels dieser Technologie analysierten die Experten Blutproben von 43 Probanden mit Magen- oder Speiseröhrenkrebs. Im Anschluss verglichen sie diese Daten mit dem Blutbild von 59 gesunden Kontrollpersonen sowie mit Blutseren von 39 Versuchsteilnehmern mit Bauchspeicheldrüsenkrebs. Letztere Probandengruppe weist ähnliche Krankheitsmerkmale auf wie Betroffene von Magen- oder Speiseröhrenkrebs – erschwerte Nahrungsaufnahme, vergleichbare Tumor-Lokalisierung sowie Mangelernährung. Somit wurden sie als Kontrollgruppe herangezogen, um stoffwechselbedingte Veränderungen zu ermitteln, die nur auf Erkrankte mit Magen- oder Speiseröhrenkrebs zutreffen.
Krebszellen bringen Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht
Insgesamt identifizierten die Wissenschaftler in 283 Blutproben 42 unterschiedliche Metaboliten, die mit Veränderungen im Stoffwechsel assoziiert werden. Unter Metaboliten werden chemische Verbindungen verstanden, die während des Stoffwechselprozesses gebildet werden. Dank der innovativen Technologie konnten die Mediziner aus den Blutseren von Probanden mit Magen- oder Speiseröhrenkrebs spezifische Veränderungen in der Struktur der Metaboliten des oberen Verdauungstraktes erfassen, die mit dieser spezifischen Tumorerkrankung in Verbindung stehen. Am deutlichsten zeigten sich die Abweichungen bei den sogenannten Ketonkörpern – Substanzen, die bei der Fettverbrennung entstehen. Laut den Experten sind diese Veränderungen darauf zurückzuführen, dass sich Krebszellen schneller ausbreiten und teilen als gesunde Zellen.
Metaboliten als Kontrollmechanismus
Im Anschluss verglichen die Fachleute Blutproben von Probanden mit Magen- oder Speiseröhrenkrebs, die kurz vor der operativen Entfernung des Tumors entnommen wurden, mit Blutseren vom ersten, dritten und siebten Tag nach dem Eingriff. Dabei kamen die Mediziner zu der Erkenntnis, dass sich der Anteil bestimmter Stoffwechsel-Produkte bereits 24 Stunden nach der Operation verringerte. Eine Woche später konstatierten die Experten, dass sich die Werte so weit normalisierten, dass sie jenen der gesunden Kontrollgruppe entsprachen. Die Messung der Metaboliten könnte folglich dazu beitragen, mutierende Zellen rechtzeitig zu erkennen sowie den Erfolg der bisher angewendeten Therapiemethode zu kontrollieren.
„Die Untersuchung im Zeitverlauf zeigt deutlich, dass die gemessenen charakteristischen Veränderungen bei den Metabolit-Konzentrationen auf die Aktivität der Krebszellen zurückzuführen sind. Weitere mögliche Einflussfaktoren wie Entzündungen oder den Ernährungszustand der Betroffenen konnten wir hingegen weitgehend ausschließen. Der ermittelte metabolische Fingerabdruck ist somit ein geeigneter Marker für eine spezifische Gruppe an Tumoren“, betont Dr. Janusz von Renesse, Erstautor der Studie.
Technologie mit großem Potenzial
Angesichts der vorliegenden Ergebnisse attestiert das Forschungsteam der Kernspinresonanz-Analyse ein hohes therapeutisches Potenzial – innerhalb von 20 Minuten sei es möglich, zuverlässige Werte über den Stoffwechsel und demnach auch über die Tumorentwicklung zu erhalten. Die Untersuchung von Zellkulturen, Gewebe und Organoiden wurde durch diese Technik ebenso erleichtert. „Die potenziellen Einsatzmöglichkeiten der Methode für die Erforschung von Tumorerkrankungen sind groß“, bestätigt Co-Studienleiter Dr. Peter Mirtschink vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (IKL) des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus Dresden. Allerdings gibt es bislang nur wenige NMR-Geräte in Deutschland, die auch zur Analyse von Flüssigproben wie Blut oder Urin geeignet sind. Im Rahmen zukünftiger Studien könnte eine Kombination aus NMR-Analyse und bildgebender Verfahren näher erforscht werden, um die Tumorentwicklung nach einer Operation zu kontrollieren.
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