Seit Beginn der Corona-Pandemie ist die Zahl der Menschen mit Essstörungen und Untergewicht stark angestiegen. Ein zu niedriges Körpergewicht kann jedoch schwere gesundheitliche Folgen mit sich bringen. Auch ein Covid-19-Verlauf kann sich durch einen zu niedrigen Body-Mass-Index (BMI) verschlechtern.
Deutschland hat zu viele untergewichtige Kinder
Viele Kinder sind für ihr Alter zu dünn oder zu klein. „Daten der letzten zwanzig Jahre zeigen, dass jedes dritte bis vierte Kind in europäischen Krankenhäusern mäßig bis schwerwiegend mangelernährt ist“, erläutert Prof. Dr. Berthold Koletzko, Leiter der Abteilung Stoffwechsel- und Ernährungsmedizin der Universitäts-Kinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Das ist ein Zustand, den wir Ärzte so nicht weiter hinnehmen dürfen“. Untergewicht sei hierzulande ein häufig unterschätztes Risiko mit schwerwiegenden Folgen. Es geht mit erheblichen Gefahren für die Gesundheit einher, da meist auch die Versorgung mit essenziellen Nährstoffen und/oder Spurenelementen nicht gewährleistet ist. Die Betreuung mangelernährter Kinder hat noch große Defizite: Ihre Probleme werden oft nicht erkannt und nicht konsequent behandelt, klagt die Stiftung Kindergesundheit.
Mögliches Anzeichen einer schweren Erkrankung
„Beim Stichwort Untergewicht denkt man unwillkürlich zuerst an die vielen Kinder in Entwicklungsländern, die unter Hunger und schlechten Lebensbedingungen leiden“, so Prof. Koletzko. „Dabei kommt Untergewicht bei Kindern und Jugendlichen auch in Deutschland häufiger vor als meist angenommen. Mit einem großen Unterschied: Das Untergewicht der Kinder in der Dritten Welt ist in aller Regel eine Folge von Armut und Unterernährung. Bei den Kindern hierzulande hat sie dagegen oft nichts mit einem Mangel an Nahrung zu tun: Sie ist häufig ein Begleitsymptom von länger dauernden oder chronischen Erkrankungen.“ Häufig betroffen sind auch Kinder mit angeborenen Herzfehlern, einer Mukoviszidose (zystische Fibrose) sowie verschiedenen Magen- und Darmerkrankungen.
Unterernährung besonders bei Kindern gravierend
Die Auswirkungen einer Mangelernährung sind bei Kindern noch gravierender als bei Erwachsenen“, sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko. Denn eine Mangelernährung in den ersten beiden Lebensjahren kann die Gehirnentwicklung und damit die intellektuelle Entfaltung behindern. In den ersten fünf Lebensjahren kann sie auch das Immunsystem schwächen und so zu einer erhöhten Infektanfälligkeit führen. Weitere Konsequenzen von Mangelernährung sind unter anderem Wachstumsstörungen, eine verzögerte Geschlechtsreife, eine verzögerte Wundheilung, verminderte Knochendichte und Muskelmasse sowie Kleinwuchs. „Zu den möglichen Folgen einer Mangelernährung gehören auch erhebliche Verzögerungen der Entwicklung, eine erhöhte Sterblichkeit sowie eine starke Einschränkung der Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen“, erklärt Professor Koletzko.
Untergewicht als Covid-Risiko
Übergewicht ist schon seit Längerem ein bekannter Risikofaktor für den schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung. Aber auch Untergewicht ist mit einem erhöhten Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung verbunden. Patienten mit Untergewicht und einem BMI unter 18,5 wurden mit einer um 20 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit ins Krankenhaus eingeliefert als Patienten mit einem gesunden BMI. Bei unter 65-Jährigen war das Risiko sogar um 41 Prozent erhöht. Am besten schlugen sich Covid-19-Patienten, die einen BMI nahe der Linie zwischen gesund und übergewichtig aufwiesen. Auch früheren Studien zufolge sind ein paar zusätzliche Pfunde für Menschen im Kampf mit Infektionskrankheiten durchaus hilfreich.
Was meinen Sie?