Trotz der Corona-Pandemie und dem Abnehmen zwischenmenschlicher Kontakte haben Mediziner der Med-Uni Innsbruck vor einer Zunahme von Geschlechtskrankheiten gewarnt. 2020 seien deutlich weniger Personen zur Vorsorgeuntersuchung gekommen, erklärte Mario Sarcletti, leitender Oberarzt an der Spezialambulanz für HIV und Geschlechtskrankheiten. Aufgrund dessen sei die Ansteckungsgefahr enorm gestiegen.
Weniger Vorsorgungsangebote werden wahrgenommen
Sarcletti betont die Wichtigkeit regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen. Auch während eines Lockdowns müssen Test- und Behandlungsangebote vollständig zur Verfügung stehen. Ein Hauptproblem der gehäuften Übertragungen sei gewesen, dass die Angebote für Screenings oftmals runtergefahren wurden. Zahlen aus der Lombardei und aus Mailand hätten gezeigt, dass die Anzahl von Tripper (Gonorrhö) und hartem Schanker (Syphilis) sowie genitalen Mykoplasmen im Vergleich zu 2019 trotz des Lockdowns zugenommen habe. Die Anzahl der HIV positiven sei im Jahr 2020 ebenfalls gestiegen. Auch in Deutschland liegen in manchen Regionen ähnliche Steigungen vor. Dies liege daran, dass weniger Personen zur Vorsorge kamen, um sich testen zu lassen, so Sarcletti.
Untersuchung verhindert Übertragung
Bei Geschlechtskrankheiten ist es besonders gefährlich nicht zur Untersuchung zu gehen, weil die Krankheiten oft nicht rechtzeitig entdeckt und in Folge oft weitergegeben werden. Es gebe auch in Österreich in den vergangenen Jahren insbesondere bei Männern generell eine Tendenz zur Zunahme bei Geschlechtskrankheiten, sagte Sarcletti. Dies liege unter anderem am geringeren Respekt vor der inzwischen behandelbaren HIV Infektion, an unvorsichtigen Sexualpraktiken, an vermehrt Sex unter Stimulantien-Einfluss und – zumindest vor Corona – einer zunehmenden internationalen Mobilität und Reisetätigkeit. Auffallend sei auch, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Symptome von Geschlechtskrankheiten teilweise milder wurden. Mittlerweile gebe es viele Patienten mit nur milden oder überhaupt keinen Symptomen, sagte der Mediziner. Umso wichtiger sei es, regelmäßig zu Vorsorgeuntersuchungen zu gehen um eine Übertragung zu verhindern.
Zahl der Neuinfektionen steigt seit Jahren rasant an
Die Zahl der Neuinfektionen in Europa mit Krankheiten wie Syphilis, Chlamydien oder Tripper steigt laut des Robert-Koch-Instituts schon seit Jahren an. Die Weltgesundheitsorganisation spricht deshalb sogar schon von einer stillen, gefährlichen Epidemie. Frauen und Männer stecken sich immer häufiger an, da die Angst, sich mit HIV zu infizieren, abnimmt. Viele Menschen sind deshalb unvorsichtiger und benutzen keine Kondome mehr. Nach einer Diagnose werden die meisten sexuell übertragbaren Krankheiten jedoch mit Antibiotika behandelt. Deshalb kommt es mittlerweile verstärkt zu Resistenzen. 2018 gab es die ersten Fälle eines sogenannten Super-Trippers in England, der auf kein Antibiotikum mehr anspricht. Ein großer Bestandteil der Debatte ist auch die Beendung der Tabuisierung von Geschlechtskrankheiten. Wer nicht mehr das Gefühl hat, sich für diese Krankheiten schämen zu müssen, geht eher zu regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen.
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