Psychosen sind sowohl für Betroffene als auch für ihre Angehörigen meist mit großer Belastung verbunden. Erschwerend kommt hinzu, dass die zugrundeliegenden Mechanismen und Auslöser noch immer kaum erforscht sind. Neue Erkenntnisse über die Rolle des Immunsystems geben nun Hoffnung auf bessere Behandlungsmöglichkeiten.
Deutlich geringere Lebenserwartung
Eine Psychose beschreibt eine gestörte Wahrnehmung der Realität, die oft mit Halluzinationen und paranoiden Reaktionen einhergeht. Die Symptome kommen bei vielen Krankheiten vor, am häufigsten jedoch bei Schizophrenie oder bipolaren Störungen. Insgesamt liegt die Prävalenz bei zwei bis drei Prozent der Bevölkerung. Die Lebenserwartung von Personen, die an Psychosen leiden, ist 15 Jahre geringer als der Durchschnitt. Außerdem sind die Behandlungsmöglichkeiten begrenzt; viele der heute noch verwendeten anti-psychotischen Medikamente wurden bereits in den 60er Jahren entwickelt.
Immunaktivierung könnte Auslöser sein
Aktuell vermuten Forscher bei dem psychiatrischen Krankheitsbild eine Involvierung des Immunsystems: „Es ist nicht vollständig geklärt, welche biologischen Mechanismen Psychosen verursachen, aber neuere Forschungen legen nahe, dass eine Immunaktivierung in den Gliazellen des Gehirns die Ursache sein könnte. Menschen mit Psychosen haben erhöhte Werte von Kynurensäure im Gehirn, einem Botenstoff, der Informationen vom Immunsystem des Gehirns an die Neuronen weiterleitet“, erklärt Göran Engberg, Professor am Department of Physiology and Pharmacology des Karolinska Instituts in Stockholm.
Protein GRK3 spielt entscheidende Rolle
Ein Forschungsteam des schwedischen Karolinska Instituts, der University of California und der Mayo Clinic in Minnesota untersuchten die Ursachen von Psychosen nun genauer. Die Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich im Fachmagazin „Molecular Psychiatry„. Die Studie basiert auf Daten von Mäusen sowie der Analyse des Genoms von Personen, die an bipolarer Störung leiden. Anhand der Ergebnisse früherer Genomstudien vermuteten die Wissenschaftler, dass das Protein GRK3 bei dem Krankheitsbild eine Rolle spielt. Dies untersuchten sie in der aktuellen Studie deshalb genauer.
Sensibilisiertes Immunsystem
Die Ergebnisse der Analysen zeigten, dass das Fehlen des Proteins das Immunsystem sensibilisiert und eine Reihe von Effekten auslöst, unter anderem die verstärkte Ausschüttung von Cytokin und Kynurensäure. „Unsere experimentellen Daten werden durch genetische Studien bestätigt, in denen wir einen Zusammenhang zwischen Psychosen bei Patienten mit bipolarer Störung und verminderter Expression von GRK3 sehen, was zu einer erhöhten Menge an Kynurensäure im Gehirn führt“, beschreibt Co-Erstautor Carl Sellgren die Ergebnisse.
Neue Therapieansätze in Aussicht
Die Daten stellen damit einen Zusammenhang zwischen der Immunaktivierung und Psychosen her. Die Forschenden sehen darin einen Ansatzpunkt für neue Therapien, die auf immunmodulierende Weise arbeiten. Dafür ist allerdings ein besseres Verständnis der Krankheit entscheidend, betont Sophie Erhardt, Ko-Autorin und Professorin am Karolinska Institut: „Um wirksame, moderne Medikamente zu entwickeln, ist mehr Wissen über die Mechanismen im Gehirn nötig, die Psychosen auslösen können.“
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