Eine Studie des Weitzman Instituts in Rehovot und des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie konnte feststellen, dass sich Stress je nach Geschlecht unterschiedlich im Gehirn äußert. Die Daten der Studie gewannen die Forschenden durch Mäuse – die Experten untersuchten 35.000 Tierzellen.
Stressbezogene Krankheiten
Depressionen und Angststörungen gehören in Deutschland zu den meistverbreiteten psychischen Krankheiten – beide werden unter anderem durch Stress hervorgerufen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) leiden 15,7 Prozent der psychisch Erkrankten an einer Angststörung und 8,2 Prozent an einer unipolaren Depression. Diese Zahlen sind äußerst alarmierend, da beide psychische Krankheiten zu einem vorzeitigen Tod führen können.
Wie sich psychische Krankheiten äußern, hängt unter anderem vom biologischen Geschlecht der betroffenen Person ab. Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigen sich besonders in den Symptomen, dem Krankheitsverlauf, der Komorbidität sowie dem Ansprechen auf die Behandlung. So manifestiert sich eine Depression bei Männern neben den typischen Symptomen auch oftmals durch Reizbarkeit, Aggressivität sowie Risiko- bzw. Suchtverhalten.
Männer als Norm für Medikamente
Auch die Medikamentenwirksamkeit für stressbezogene psychische Krankheiten hängt vom Geschlecht des Patienten ab. So ist bekannt, dass manche Medikamente bei Männern, andere hingegen bei Frauen besser wirken. Lange Zeit wurden diese geschlechtsspezifischen Unterschiede bei psychischen Erkrankungen jedoch nicht berücksichtigt: Medikamente wurden bis in die 1990er-Jahre ausschließlich an Männern getestet. Dies führte dazu, dass Frauen im Vergleich zu Männern häufiger Nebenwirkungen bei der Einnahme diverser Medikamente entwickelten. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, ist es mittlerweile in vielen Ländern verpflichtend die Wirksamkeit von Medikamenten bei weiblichen Probanden ebenfalls zu testen.
Warum diese Geschlechterunterschiede?
Um in Zukunft effektivere Medikamente gegen stressbedingte psychische Erkrankungen entwickeln zu können, untersuchte das Forschungsteam geschlechtsspezifische Unterschiede im Gehirn. Im Zuge der Studie arbeiteten die Forschenden mithilfe von RNA-Sequenzierung einzelner Zellen, um die zelltypspezifischen Merkmale von akutem Stress im paraventrikulären Hypothalamuskern zu untersuchen – einem zentralen Knotenpunkt der Stressantwort. Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Gehirnen zeichneten sich bei Stress vor allem in den Oligodendrozyten ab. Hierbei handelt es sich um eine Form von Helferzellen, die sich um die Fortsätze von Nervenzellen wickeln und dadurch sowohl die Denkgeschwindigkeit als auch die Energieversorgung der Nervenbahnen regulieren. Die Forscher stellten fest, dass Oligodendrozyten bei Männern während chronischem Stress weniger komplex und unterentwickelt wirken, wohingegen die Helferzellen bei Frauen keine signifikanten Veränderungen aufweisen.
Um eine optimale Behandlung von Patienten gewährleisten zu können, braucht es ein umfangreiches Verständnis über die geschlechtsspezifischen Unterschiede stressbedingter psychischer Krankheiten. Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es dem Forschungsteam zufolge weiterer Untersuchungen geschlechtsspezifischer Reaktionen auf Stress mittels RNA-Sequenzierung einzelner Zellen.
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