Vergangene Studien konnten eindeutig nachweisen, dass Übergewicht und Fettleibigkeit (Adipositas) mit weitreichenden negativen Folgen für die Gesundheit zusammenhängen. Vielen Betroffenen gelingt es trotz Ernährungsumstellung und wiederholten Diäten allerdings nicht, das eigene Körpergewicht dauerhaft zu reduzieren. Australische Forscher des Garvan Institute of Medical Research fanden in einer aktuellen Studie nun eine effektive Möglichkeit Körpergewicht zu reduzieren: Die Erhöhung der körpereigenen Wärmeproduktion zeigt sich als vielversprechender neuer Therapieansatz.
Wärmeproduktion erhöht Stoffwechselaktivität
Mithilfe der Blockierung eines spezifischen Rezeptors des Moleküls Neuropeptid Y (NPY) lässt sich nach den Erkenntnissen der Studie die Wärmeproduktion des Körpers erhöhen, was wiederum den Fettstoffwechsel stimuliert und ernährungsbedingte Gewichtszunahme verhindern kann, berichtet das Forschungsteam in einer Pressemitteilung. Das sei ein vielversprechender Ansatz zu Behandlung diätbedingter Fettleibigkeit. Denn Fettleibigkeit und Übergewicht sind ernste Probleme der öffentlichen Gesundheit, die zu schwerwiegenden medizinischen Komplikationen führen können. Unter anderem wird das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und einige Krebsarten erhöht. Erst vor Kurzem hatte eine andere Studie gezeigt, dass ein hoher BMI und Körperfettanteil als Risikofaktor für insgesamt zehn Krebsarten gilt.
Medikamentöse Behandlung zeigt teils schwere Nebenwirkungen
Änderungen des Lebensstils zeigen sich für die Gewichtsabnahme unerlässlich, doch können Medikamente für manche Betroffene eine wichtige zusätzliche Behandlungsoption darstellen, meinen dazu die Forschenden. Allerdings wirken „die meisten der derzeitigen Medikamente zur Behandlung von Fettleibigkeit auf das Gehirn, um den Appetit zu unterdrücken, und können schwere Nebenwirkungen haben, die ihre Verwendung einschränken“, ergänzt Studienautor Dr. Yan-Chuan Shi.
Y1-Rezeptoren als Schlüsselfaktor
Eine vielversprechende Behandlungsoption könnten dabei Y1-Rezeptoren spielen, die durch das Molekül NPY gesteuert werden, das im Körper etwa unter Hungerbedingungen freigesetzt wird. In Folge wird der Energieverbrauch gesenkt und die Fettspeicherung gleichzeitig erhöht. Bei fettleibigen Personen werden Y1-Rezeptoren im Fettgewebe überraschenderweise in höherer Konzentration produziert. Genau hier könnten Behandlungen in Zukunft ansetzen. Denn bei ersten Modellversuchen an Mäusen zeigte sich durch die Blockierung der Y1-Rezeptoren eine vielversprechende Wirkung: „Mäuse, denen BIBO3304 (eine experimentelle Behandlungsmethode) verabreicht wurde und die mit einer fettreichen Diät gefüttert wurden, legten über sieben Wochen etwa 40 Prozent weniger Körpergewicht zu als Mäuse, die nur eine fettreiche Diät erhielten“, fasst Shi zusammen.
Versuche an menschlichen Fettzellen zeigen gleiche Wirkung
Die signifikante Reduktion der Zunahme an Körpergewicht bei den Labormäusen sei auf eine Erhöhung der Körperwärmeerzeugung und eine Verringerung der Fettmasse zurückzuführen, ist sich Shi daher sicher. Zudem haben erste Versuche an menschlichen Fettzellen von adipösen Personen gezeigt, dass die Zellen durch die Behandlung begannen die gleichen an der Wärmeerzeugung beteiligten Gene anzuschalten wie auch bei den Versuchstieren. Das deutet darauf hin, dass die Beeinflussung des Y1-Rezeptor-Stoffwechsels ebenfalls beim Menschen den Fettstoffwechsel erhöhen und die Gewichtszunahme reduzieren könnte: „Unsere Studie zeigt einen alternativen Ansatz auf, der direkt auf das Fettgewebe abzielt, was möglicherweise ein sicherer Weg zur Vorbeugung und Behandlung von Fettleibigkeit sein könnte“, fügt Dr. Shi hinzu.
Natürliche Bremsfunktion gegen Fett
Der Y1-Rezeptor wirke sogleich als „Bremse“ hinsichtlich der Wärmeproduktion im Körper und seine Blockierung im Fettgewebe würde das „energiespeichernde“ Fett in „energieverbrennendes“ Fett umwandeln, was sodann die Wärmeproduktion aktiviert und die Gewichtszunahme reduziert: „NPY ist ein Stoffwechselregulator, der eine kritische Rolle bei Zuständen geringer Energieversorgung spielt, wo er hilft, Fett als Überlebensmechanismus zu speichern. Heutzutage können diese vorteilhaften Effekte jedoch eine bestehende diätbedingte Gewichtszunahme verschlimmern, was zu Fettleibigkeit und Stoffwechselkrankheiten führt”, resümiert Professor Herbert Herzog, Leiter des Eating Disorders Lab am Garvan Institute of Medical Research.
Geringes Risiko für Nebenwirkungen
Die experimentelle Behandlung BIBO3304 habe zudem gezeigt, dass diese nicht die sogenannte Blut-Hirn-Schranke passiert. Die Anti-Fettleibigkeitseffekte der Blockierung der Y1-Rezeptor-Wege passieren etwa nicht über das Gehirn, sondern nur spezifisch im peripheren Gewebe. Auf diese Art werde auch das Risiko unerwünschter Nebenwirkungen maßgeblich reduziert: „Unsere Studie ist ein entscheidender Beweis dafür, dass die Blockierung von Y1-Rezeptoren in peripheren Geweben ohne Beeinflussung des zentralen Nervensystems wirksam ist, um Fettleibigkeit durch Erhöhung des Energieverbrauchs zu verhindern“, bestätigt auch Herzog. Der neue potenzielle therapeutische Ansatz sei damit sicherer als aktuelle Medikamente, die auf die Reduzierung des Appetits abzielen.
Weitere Vorteile für die Gesundheit
Zusätzlich gibt es weitere potenzielle Vorteile, die mit der gezielten Beeinflussung des NPY-Y1-Rezeptorsystems einhergehen – darunter etwa die Stimulation des Knochenzellwachstums und die Verbesserung der kardiovaskulären Funktion, sowie der Insulinresistenz: „Wir hoffen, dass die Veröffentlichung unserer Ergebnisse zu einem gesteigerten Interesse an der Erforschung von BIBO3304 und verwandten Wirkstoffen als potenzielle Behandlungen für Fettleibigkeit und andere Gesundheitsbeschwerden führen wird“, so Herzog.
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