Sport zur Behandlung von Depressionen soll genauso wirksam sein wie herkömmliche Medikamente oder Psychotherapie – das behauptet zumindest eine neue Metastudie der Universität Potsdam, die 41 Studien zu diesem Thema miteinander verglichen hat.
Großer Behandlungsbedarf
Weltweit sind mehr als 300 Millionen Menschen von Depressionen betroffen, mit steigender Tendenz seit Beginn der COVID-19 Pandemie. Der Bedarf an angemessener, leicht zugänglicher und vor allem kostenfreundlicher Behandlung ist daher hoch. Im Moment wird die Krankheit hauptsächlich psychotherapeutisch oder medikamentös betreut – trotzdem kann langfristig oft kaum ein Erfolg verzeichnet werden. So kann eine Psychotherapie zwar eine Remissionsrate von ungefähr 50 Prozent erzielen, für viele Betroffene ist sie aber schlicht nicht erschwinglich. Antidepressiva haben hingegegen oft schwere Nebenwirkungen und Patienten erleiden teils schwere Rückfälle ihrer Depression. Außerdem hat fast ein Drittel aller Betroffenen gar keinen Zugang zu angemessener ärztlicher Betreuung. Bleibt eine Depression über einen längeren Zeitraum unbehandelt, führt das fast immer zu einer Verschlechterung der Symptome sowie zur Entwicklung weiterer Komorbiditäten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie eine möglichst breite Verfügbarkeit von Behandlungsmöglichkeiten für Betroffene gewährleistet werden kann.
Bewegung noch hilfreicher als gedacht
Um auf diese Frage eine Antwort zu finden, wurde die derzeit größte Meta-Analyse zum Thema Sport und Depressionen durchgeführt. Dazu haben die Forschenden insgesamt 41 Studien im Umfang von 2.265 Teilnehmern miteinander verglichen. Aus dieser Untersuchung geht hervor, dass körperliche Aktivität zu einer deutlichen Verbesserung von depressiven Symptomen führt. Die Form der Bewegung spielt dabei kaum eine Rolle.
Genauer untersucht hat man den Effekt von Ausdauersport und Krafttraining. Eine überraschende Erkenntnis der Studie war, dass die positive Wirkung auf die Depression geringer ausfiel, wenn sowohl Kraft- als auch Ausdauertraining betrieben wurden. Der Fokus auf eine der beiden Sportarten bringt ein besseres Ergebnis mit sich. Zusätzlich kann die Anleitung eines Trainers während der sportlichen Betätigung zu einer stärkeren Reduktion der Symptome führen.
Obwohl in den meisten Studien die Auswirkung von Ausdauersport untersucht wurde, konnte für beide Formen der Bewegung eine Verbesserung der Symptome gezeigt werden. Auch die Intensität der Bewegung scheint kaum eine Rolle zu spielen – wichtig ist nur, dass sich betroffene Personen überhaupt bewegen.
Zusammenfassend meint der Autor Andreas Heissl: Betroffene Personen müssen keinen Marathon laufen oder andere sportliche Ziele erreichen – wichtig ist nur, sich überhaupt zu bewegen und Spaß dabei zu haben.
Langfristige Auswirkungen unklar
Leider fand die Meta-Analyse aber auch einige Schwachpunkte an den Studien: Die Heterogenität der untersuchten Gruppen war hoch, die Personen waren von unterschiedlicher Herkunft und ihre Geschlechterverteilung war prozentual ungleich. Darüber hinaus war die Form der Diagnose der Depression variabel. Zusätzlich hatten viele der untersuchten Studien eine geringe Teilnehmeranzahl. Damit lässt sich eine höhere Effektstärke erzielen, die falsche Schlüsse zulassen könnte. Auch die langfristige Auswirkung von Sport auf Depressionen sei noch nicht geklärt – die meisten Studien hatten einen recht kurzen Beobachtungszeitraum.
In Zukunft möchte der Hauptautor erreichen, dass Sport neben Psychotherapie und Antidepressiva als vorrangige Behandlungsmethode für Depressionen Anwendung findet. Dazu bedarf es aber noch vielen weiteren Untersuchungen, die vor allem langfristige Erfolge zeigen können.
„Sind Sie oder jemand den sie kennen von Depressionen betroffen,“ meint Andreas Heissl abschließend, „fragen Sie Ihren Arzt nach einer Möglichkeit sportliche Betätigung mit in den Behandlungsplan aufzunehmen.“ Er rät dazu, mit unterschiedlichen Aktivitäten zu experimentieren, bis man die beste für sich selbst gefunden hat – wichtig ist dabei immer die Freude an der Sache.
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