Was ist eigentlich ADHS? Es handelt sich dabei um die sogenannte Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung – eine chronische Erkrankung, die sich durch Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität auszeichnet. Erwachsene, die von der psychischen Störung betroffen sind, erleben durch ihre Verhaltensauffälligkeiten oft negative Erfahrungen im Studium, in der Arbeit oder während sozialer Interaktionen. Im Gehirn von Betroffenen dauert es oftmals länger Verbindungen im präfrontalen Kortex auszubilden als bei Gleichaltrigen. Der Entwicklungsunterschied kann dabei eine Differenz von bis zu drei Jahren ausmachen.
Frauen passen sich besser an
In der ADHS-Forschung hat man sich lange ausschließlich mit männlicher Symptomatik beschäftigt. Ihr Verhalten ist den meisten Menschen bekannt: Hyperaktivität, Impulsivität, Aggression, sichtbare Rastlosigkeit, Ungeduld und ein unorganisiertes, lautes Auftreten. In Schulen ziehen Buben mit ihren Auffälligkeiten schnell die Aufmerksamkeit des gesamten Klassenraums auf sich. Daher wird ihr Anderssein im Vergleich zu ihren Mitschülerinnen häufiger bemerkt und im Anschluss diagnostiziert. Betroffene Mädchen zeigen ihre Symptome jedoch auf eine andere Art und Weise. Zu Schulzeiten können sie ihr Verhalten meist noch gut unterdrücken – sie sind ruhiger und passen sich besser an als ihre männlichen Klassenkameraden. Doch spätestens ab der Hochschule wird ADHS auch für sie zu einem aufdringlichen Problem. Sie sind häufiger betroffen von Symptomen, die sich nach innen richten: Desorganisation, innere Unruhe, Abgelenktheit, Überforderung, Perfektionismus, soziale Ungeschicklichkeit, Verträumtheit oder frühe sexuelle Aktivität. Diese Merkmale werden von anderen Menschen als weniger störend wahrgenommen – Mädchen werden von Lehrpersonen folglich viel seltener als auffällig gemeldet.
Schwierigkeiten für Frauen mit ADHS
Die oben genannten Unterschiede erklären gut, warum Frauen oft später oder gar nicht diagnostiziert werden. Allerdings leiden sie genauso unter der Störung: Häufig werden sie von Kollegen ausgeschlossen oder abgelehnt. Sie haben Schwierigkeiten Freunde zu finden und Kontakte aufrechtzuerhalten. Manchmal verpassen sie soziale Gelegenheiten, weil sie sich in ihren Tagträumen verlieren. Sie merken nicht, dass sie bereits zu lange reden und die Aufmerksamkeit ihrer Mitmenschen nicht mehr vorhanden ist. Gerade Betroffene, die mit einem hyperaktiv-impulsiven oder einem gemischten ADHS-Subtyp diagnostiziert werden, gelten als zu laut, aggressiv oder generell nicht-stereotyp weiblich. Die meisten Frauen merken dann, dass etwas mit ihnen nicht stimmt – doch es fehlt oft an einer passenden Erklärung für ihre Schwierigkeiten im Alltag.
Hormonelle Schwankungen erschweren Symptomatik
Während des Zyklus verändert sich der Hormonhaushalt von Frauen, wodurch auch die Symptome der ADHS beeinflusst werden – kurz vor Beginn der Periode steigt die Ablenkbarkeit, Stimmungsschwankungen werden intensiver und die Vergesslichkeit nimmt zu. Am Beginn der Menopause werden die Krankheitsanzeichen für viele Betroffene dann besonders schlimm. Wenn das Level an Östrogen und Progesteron abnimmt, führt das zu extremen Änderungen der Stimmung und kognitiven Einschränkungen. Hatten die Patientinnen davor nur leichte ADHS-Symptome, können diese mit den Wechseljahren stark zunehmen und viele neue Herausforderungen mit sich bringen. Dazu zählt eine schlechte Erinnerungsfähigkeit, erschwertes Zeit-Management, erhöhte Impulsivität und Organisationsschwierigkeiten.
Einen Umgang mit ADHS finden
Treffen genannte Symptome auf einen selbst oder die eigenen Kinder zu, empfiehlt sich in jedem Fall ein Besuch bei einem Psychiater. Eine Diagnose muss nicht notwendigerweise zu einer Einnahme von Medikamenten führen – oft bringt sie einfach nur Verständnis für das eigene Wesen und erlaubt eine bessere Einordnung von Stärken und Schwächen. Leider gibt es nur sehr wenige Therapeuten, die auf ADHS bei Frauen spezialisiert sind – trotzdem ist der Krankheitsbefund für viele weibliche Betroffene – ungeachtet in welchem Alter – eine Befreiung. Verhaltensmuster können endlich benannt und der Umgang mit ihnen erlernt werden. Eine Therapie ist hier stets hilfreich; vor allem die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als effektiv erwiesen. Dabei werden den Betroffenen notwendige Tools zur Hand gelegt, die helfen Selbstvertrauen und Selbstakzeptanz aufzubauen – ob nun mit medikamentöser Unterstützung oder ohne.
Außerdem kann eine Änderung des Lebensstils unterstützend wirken: Mehr Bewegung, gute Schlafhygiene, gesunde Ernährung und weniger Stress sind förderlich, um die Symptome unter Kontrolle zu halten.
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