Krebs ist immer noch eine der tödlichsten Krankheiten weltweit, doch neue molekulare Methoden sollen die Heilungschancen deutlich verbessern. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Harvard University in den USA beschäftigen sich Wissenschaftler im Moment mit der Erforschung einer neuen Therapieform. Eines Tages soll diese große Erfolge bei der Heilung von Tumoren erzielen. An erkrankten Mäusen kam es in der Studie bereits zu bedeutenden Durchbrüchen: fast 100 Prozent der Krebszellen konnten mit Hilfe des Mechanismus entfernt werden, ohne dabei gesunde Zellen anzugreifen.
Krebs bekämpfen, wo er entsteht
Tumore entstehen auf Zellebene: In bestimmten Genen treten Mutationen auf, woraufhin Zellen beginnen sich unaufhörlich zu teilen. Daraus resultiert letztlich ein unkontrollierbarer „Zellhaufen“ – nämlich Krebs. Ist dieser zusätzlich bösartig, können sich mutierte Zellen im restlichen Körper verteilen. Andere Organe werden befallen und neue Tumore entstehen. Weil bisherige Behandlungsmethoden von Krebserkrankungen auch gesunde Körperzellen angreifen, suchen Wissenschaftler nach einer Möglichkeit, ausschließlich veränderte Zellen zu erreichen. In diesen wollen sie die kaputte DNA anschließend direkt behandeln.
Herausschneiden von DNA-Schäden
Um Erbgut in Zellen zu verändern, existiert bereits seit mehreren Jahren eine Methode: Die Genschere mit dem Namen CRISPR/Cas9 kann mutierte DNA aus betroffenen Zellen herausschneiden und durch gesundes Genmaterial ersetzen. Der Transport der Genschere stellt für die Forschenden aber eine große Hürde dar: CRISPR/Cas9 ist ein Protein und diese werden vom Immunsystem – wenn nicht verpackt oder körpereigen – als fremd erkannt und abgebaut. Folglich kann die Genschere nicht in Form von Tabletten oder Spritzen verabreicht werden, sondern es braucht eine zusätzliche Verpackung. Als Transportvehikel soll nun eine „molekulare Spritze“ dienen, die CRISPR/Cas9 zu den kranken Zellen bringt.
Bakterium als Transporter
Der Begriff „molekulare Spritze“ ist allerdings etwas irreführend. In Wahrheit handelt es sich nämlich nicht um eine Spritze, sondern um ein Bakterium – genauer, um einen Teil eines Bakteriums.
Manche Mikroben besitzen von Natur aus ein Injektionssystem, mit dem sie an andere Zellen andocken und Proteine durch deren Zellmembran spritzen. Eigentlich dient der Mechanismus den Bakterien dazu, den Stoffwechsel anderer Zellen zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen. Doch die Forschenden des MIT wollen diesen Prozess nun nutzen, um CRISPR/Cas9 zu den Tumorzellen zu transportieren.
Dazu reinigen die Forscher die Mikroben zuerst in einem speziellen Verfahren auf, sodass nur noch das Überträgersystem vorhanden ist. Im Labor bringen sie die Genschere dann in die gereinigten Zellen ein – zusammen kommt die molekulare Maschinerie in den erkrankten Organismus. Dort binden Oberflächenproteine des Injektionssystems an Rezeptoren der Tumorzellen. Zum Schluss wird die Genschere durch die Zellmembran gespritzt, wo sie letztendlich ihre Arbeit erledigt. Der Vorteil dabei ist, dass gesunde Zellen unberührt bleiben – wie die aufgereinigten Elemente der Bakterien allerdings wieder aus dem Körper kommen, ist noch unklar.
Die Tür ist aufgestoßen
Die Therapieform bietet die Möglichkeit, irgendwann nicht nur Krebs zu behandeln, sondern auch andere genetische Krankheiten. Wissenschaftler auf der ganzen Welt zeigen sich äußerst optimistisch: Für den Tropenmediziner Prof. Dr. Clemens Wendtner aus München ist die Tür jetzt aufgestoßen – für die Onkologie sei die neue Methode eine Schlüsseltechnologie.
Die Entwicklung steht zwar noch ganz am Beginn und bis die Behandlung auch an Menschen Anwendung finden kann, wird es mit Sicherheit noch Jahre dauern – doch die Forschenden des MIT und auch weiterer Universitäten arbeiten hochmotiviert an der Ermittlung von Lösungen. Ziel ist es, einen ähnlich großen Erfolg zu erwirken, wie schon im Jahr 2012 mit der Entdeckung der Genschere CRISPR/Cas9.
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