Fast 15 Prozent aller Deutschen zwischen 18 und 64 Jahren konsumieren gesundheitsgefährdende Mengen an Alkohol. Herzprobleme, Leberschäden und Demenz sind nur einige der möglichen Folgen. Obwohl viele der Betroffenen um die Gefahren der Alkoholabhängigkeit wissen, kommen sie dennoch nicht von der Flasche los. Neueste Forschungserkenntnisse lassen nun jedoch hoffen, dass es bald ein wirksames Mittel gegen die Sucht gibt – nämlich ein Medikament, das bisher für die Behandlung von Diabetes eingesetzt wurde.
Ein Diabetes-Medikament gegen Süchte?
Der Wirkstoff Semaglutid, besser bekannt unter dem Marktnamen Ozempic, hilft gegen Typ-2-Diabetes und Übergewicht. In letzter Zeit sorgte das Medikament häufig für Schlagzeilen, da Prominente es als Abnehmhilfe bewarben. Dadurch war es zwischenzeitlich nicht mehr ausreichend für diejenigen Menschen verfügbar, die aufgrund ihrer Krankheit wirklich darauf angewiesen sind.
Immer wieder berichten Patienten davon, dass sie durch die Einnahme von Semaglutid ein geringeres Bedürfnis nach Alkohol verspüren. Zwar gibt es bereits Medikamente gegen die Alkoholabhängigkeit, doch diese sind nicht immer effektiv. Alternative Wirkstoffe zu finden, wäre also sehr wünschenswert. Forscher der Universität Göteborg in Schweden wollten daher herausfinden, ob Semaglutid tatsächlich Süchte unterdrücken kann. Die Befunde ihrer Studie erschienen vor einigen Wochen im Journal „eBioMedicine“.
Semaglutid macht abhängige Ratten abstinent
Als Versuchstiere dienten den Forschern alkoholabhängige Laborratten, von denen ein Teil mit Semaglutid therapiert wurde. Das Ergebnis: Im Vergleich zu den alkoholabhängigen Ratten, die das Medikament nicht erhielten, tranken die behandelten Tiere etwa um die Hälfte weniger Alkohol. Dieser Effekt zeigte sich sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Ratten. Außerdem führte der Wirkstoff dazu, dass die Tiere seltener Rückfälle erlitten. Die Vermeidung von Rückfällen hat eine sehr hohe Priorität bei der Behandlung von Süchten, da viele Patienten nach einer Phase der Abstinenz dem Alkohol wieder verfallen und dann oft noch mehr trinken als vor der Entsagung.
Abhängigkeit: Wenn das Gehirn nach mehr schreit
Doch was genau bewirkt Semaglutid im Gehirn, sodass Menschen oder Laborratten plötzlich weniger Verlangen nach Alkohol verspüren? Auch hierzu liefert die Studie Hinweise: Bei den untersuchten Ratten veränderte das Medikament die Aktivität des sogenannten Nucleus accumbens – ein bedeutender Bestandteil des Belohnungszentrums im Gehirn. Bei Menschen wie bei Tieren stimuliert Alkohol normalerweise das Belohnungszentrum, was eine Ausschüttung von Dopamin zur Folge hat. Dieser Nervenbotenstoff sorgt für Glücksgefühle, sodass man noch mehr Alkohol möchte, um die positiven Emotionen aufrechtzuerhalten.
Bei den Mäusen in der Studie unterdrückte Semaglutid die Vorgänge im Belohnungszentrum. Vermutlich führte das dazu, dass der Alkohol nicht mehr mit Glücksempfindungen verbunden wurde und die Tiere daher weniger Lust auf die Droge verspürten.
Semaglutid bald als Medikament gegen Alkoholismus?
Die Befunde der schwedischen Forscher sind zwar vielversprechend. Bevor Semaglutid zur Behandlung von suchtkranken Menschen dienen kann, braucht es jedoch noch mehr Forschung – schließlich wurde es in diesem Experiment nur an Tieren untersucht.
Eine andere Studie konnte in der Vergangenheit allerdings bereits zeigen: Diabetes-Medikamente, die eine ähnliche Wirkung im Körper entfalten wie Semaglutid, können bei übergewichtigen Alkoholikern die Sucht hemmen. Die Forscher aus Göteborg sind daher zuversichtlich, dass sich die Befunde zu Semaglutid auch auf den menschlichen Organismus übertragen lassen. Möglicherweise könnte der Wirkstoff vor allem für Menschen von Vorteil sein, die gleichzeitig an Alkoholsucht und Übergewicht leiden.
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