Ein großes Problem bei der Eindämmung der Pandemie sind Personen, die das Virus unbemerkt weitertragen. Betroffene, die Symptome zeigen, bleiben – idealerweise – zuhause und lassen sich testen, bevor sie sich wieder ins soziale Geschehen einbringen. Doch womöglich verlaufen asymptomatische Infektionen gar nicht komplett ohne Anzeichen; diese sind nur für Menschen nicht wahrnehmbar. Maschinen hingegen scheinen uns hier voraus zu sein.
Bereits in der Medizin angekommen
Künstliche Intelligenz sorgt oft für Unbehagen, glaubt man gewissen Science Fiction Verfilmungen. Doch sie birgt auch immense Chancen: Gerade im Gesundheitsbereich könnten Algorithmen großen Fortschritt bringen. Dabei handelt es sich um eine Abfolge von Rechenoperationen, um ein bestimmtes Problem zu lösen. Zuletzt sorgte dies bei Parkinson für Schlagzeilen, wobei eine Früherkennung anhand von Netzhautbildern dadurch ermöglicht wird. Eine übliche Vorgehensweise ist dabei, einen Algorithmus mit bereits klassifizierten Daten – man spricht dann von gelabelten Daten – zu trainieren. So könnte man zum Beispiel einem Programm beibringen, Hunde und Katzen auf Fotos zu erkennen. Dafür würde es zunächst eine Trainingsphase durchlaufen, in der es zusätzlich zu jedem Bild auch die Information erhält, welches Tier abgebildet ist. Auf diese Weise „lernt“ das Programm, welche Eigenschaften zu welcher Kategorie gehören und kann dieses Wissen bei neuen, unbekannten Fotos anwenden.
Neue Chance gegen SARS-CoV-2
Diese Methode benutzten auch Forschende am Massachusetts Institute of Technology (MIT), die einen Algorithmus zur Erkennung von Alzheimer anhand von Audiodaten entwickelten. Als das Coronavirus sich immer weiter ausbreitete, beschlossen sie, ihre Technologie umzuschulen. Sie sammelten Audiodateien mit Hust- und Atemgeräuschen von mehreren Tausend Menschen, davon 2.500 mit positivem Corona-Test. Der Algorithmus lernte dann anhand dieser Hörproben, welche Merkmale auf eine Infektion hindeuten.
Die Stärke ihrer Technologie sehen die Forschenden dabei vor allem in der Erkennung von asymptomatischen Fällen. Denn bereits mit diesen Daten erreichte der Algorithmus eine sehr hohe Sensitivitätsrate von 98,5 Prozent. „Wir denken, dass dies zeigt, dass sich die Art und Weise, wie man Laute produziert, ändert, wenn man Covid hat, auch wenn man asymptomatisch ist“, sagt Brian Subirana, einer der Studienautoren des MIT. Den Unterschied zwischen einer infizierten und einer gesunden Person könnten Menschen nicht erkennen, doch Geräte wie herkömmliche Smartphones nehmen die feinen Unterschiede auf.
Mehr Daten für mehr Intelligenz
Ein Forschungsteam von der University of Essex in Großbritannien ging noch einen Schritt weiter: Sie trainierten ihren Algorithmus, den sie „DeepCough“ nennen, mit noch mehr Daten. Bei den über 8.000 Hörproben lag jeweils entweder ein positives oder ein negatives Corona-Testergebnis als Datengrundlage vor. Außerdem wurde jede positiv getestete Probe basierend auf verschiedenen klinischen Werten einem Schweregrad zugeordnet. So lehrten sie den Algorithmus, nicht nur eine Infektion zu erkennen, sondern auch den Verlauf der Erkrankung einzuordnen. Für die Einordnung des Verlaufs erreichte „DeepCough“ eine Genauigkeit von 81 Prozent. Bei der Erkennung von Sars-CoV-2 aber erzielte der Algorithmus ein weitaus besseres Ergebnis mit einer Erkennungsrate von erstaunlichen 96 Prozent. Das heißt, die Technologie konnte nur anhand des Hustens fast alle vorliegenden Fälle richtig diagnostizieren.
Unbürokratische Pandemiebekämpfung
Der Vorteil von Algorithmen bei der Corona-Diagnostik ist, dass sie schnelle und einfache Tests ermöglichen. Medizinische Tests können sie nicht ersetzen, jedoch könnte diese Form der Diagnostik trotzdem einen großen Teil zur Pandemiebekämpfung beitragen. Jede Person mit einem Smartphone könnte jeden Tag so oft sie möchte ihr Hustengeräusch überprüfen lassen – ganz unbürokratisch. „Pandemien könnten der Vergangenheit angehören, wenn Frühwarnsysteme immer weiterentwickelt werden und dabei den Gesundheitsstatus einer Person im Hintergrund ständig überprüfen“, fasst das Forschungsteam zusammen. Zurzeit wird an einer Möglichkeit geforscht, um die entwickelten Technologien auch als Apps für die breite Masse verfügbar zu machen.
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