Die Entdeckung von Antibiotika stellt eine der größten Errungenschaften in der Geschichte der Medizin dar. Doch je mehr sie verwendet werden, desto weniger wirksam werden sie. Die Erreger, die sie bekämpfen sollen, passen sich an; Antibiotika-resistente Keime entstehen. So müssen immer neue Wirkstoffe entwickelt werden, gegen die noch keine Resistenzen bestehen – bis die Keime sich wieder an diese anpassen und das Spiel von Neuem beginnt. Doch was, wenn keine neuen Wirkstoffe mehr zur Verfügung stehen? Das Robert-Koch-Institut stuft dieses Problem als „eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit dieser Zeit“ ein. Die Entstehung von Resistenzen zu verhindern, ist daher ein weltweit verfolgtes Forschungsziel.
Antibiotikaspiegel über Atem bestimmen
Eine Gruppe von Wissenschaftlern der Universität Freiburg entwickelte nun eine neue Technologie, die verhindern soll, dass Keime gegenüber Wirkstoffen resistent werden. Dank der Arbeit der Ingenieure und Biotechnologen soll bald die Messung der Antibiotika-Konzentration über den Atem möglich sein. Der Sensor der Forschungsgruppe um Dr. Can Dincer, H. Ceren Ates und Prof. Dr. Wilfried Weber beruht auf synthetischen Proteinen, die auf Antibiotika reagieren und damit eine Stromänderung erzeugen. Die Studienergebnisse veröffentlichten die Forschenden kürzlich im Fachmagazin „Advanced Materials“.
Erstmals genaue Messungen möglich
In Tests erwies sich der Biosensor so zuverlässig wie das Standardlaborverfahren in der Medizin. Die Forschenden prüften ihre Entwicklung an Blut, Plasma, Urin, Speichel und im Atem von Schweinen, die Antibiotika erhielten. Die Atemmessungen entsprachen dem Antibiotikagehalt im Blut. So genaue Bestimmungen der Wirkstoff-Werte waren bislang über die Atemluft nicht möglich, erklärt Dincer. „Bisher konnten Forschende nur Spuren von Antibiotika im Atem nachweisen. Mit unseren synthetischen Proteinen auf einem Mikrofluidik-Chip, bestimmen wir kleinste Konzentrationen im Atemgaskondensat und diese korrelieren mit den Blutwerten.“, so der Studienautor.
Individuell angepasste Behandlung
Der Nutzen der Technologie zeigt sich bei der Antibiotikabehandlung: Bei schweren Infektionen ist es wichtig, dass Ärzte die Konzentration des Wirkstoffs konstant halten. Geben sie zu viel der aggressiven Arzneimittel, kann es gefährlich werden: Es drohen Blutvergiftung und Organversagen bis hin zum Tod der Patienten. Verabreichen sie jedoch zu wenig, entstehen Resistenzen, da den Erregern Raum gegeben wird, sich anzupassen. Daher ist eine personalisierte und konstante Gabe von Antibiotika essenziell. „Die schnelle Überwachung der Antibiotika-Werte wäre in der Klinik von großem Nutzen“, erklärt Ates. „Die Methode ließe sich möglicherweise in eine herkömmliche Gesichtsmaske einbauen.“ In einem weiteren Forschungsprojekt der Universität Freiburg entwickelt Dincer daher tragbare Papiersensoren für die Messung von Biomarkern im Atem.
Von resistenten Bakterien abgeguckt
„Wir schlagen die Bakterien sozusagen mit ihren eigenen Waffen“, beschreibt Weber das von seiner Gruppe entwickelte Verfahren, denn es basiert auf einem natürlichen Rezeptorprotein, das resistente Bakterien nutzen, um für sie gefährliche Antibiotika zu erkennen. Der Mikrofluidik-Biosensor trägt Proteine, die sogenannte Beta-Laktam-Antibiotika, zu denen auch Penicillin gehört, erkennen. Das Antibiotikum konkurriert mit einem enzymgekoppelten Beta-Lactam um die Bindung mit diesen Proteinen. Dabei entsteht eine Stromänderung: Je mehr Antibiotikum die Probe enthält, desto weniger Enzymprodukt entsteht und desto weniger Strom wird erzeugt.
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