Immer mehr Menschen fallen antibiotikaresistenten Keimen zum Opfer, die zu lebensbedrohlichen Erkrankungen führen können. Die Weltgesundheitsorganisation publizierte bereits vor Jahren eine Liste mit den gefährlichsten Bakterien in der Hoffnung, Forschungen für effektive Gegenmittel anzuregen. Eine Wirkstoffkombination aus Aztreonam und Avibactam galt lange Zeit als Hoffnungsträger. Forscher kamen nun allerdings zu einer unerfreulichen Erkenntnis: Schon vor der Zulassung wurden bakterielle Resistenzen nachgewiesen.
Resistente Krankenhauskeime
Was die antibiotische Behandlung anbelangt, stellen insbesondere Enterobakterien wie Escherichia coli oder Klebsiella pneumoniae ein zunehmendes Problem dar. Die gefürchteten Krankenhauskeime können nicht nur schwere Entzündungen in den Harnwegen und im Darm hervorrufen, sondern bringen zudem immer häufiger ihre ausgeprägte Antibiotikaresistenz zur Geltung. Selbst Arzneimittel mit stark antibiotischer Wirkung, wie beispielsweise Carbapeneme, stoßen in Anbetracht der vehementen Widerstandskraft der Bazillen an ihre Grenzen. Die Mediziner legten ihre Hoffnung in zwei antimikrobielle Substanzen, welche angeblich dazu fähige seien, die weitverbreitete Resistenz zu überwinden. Diese Idealvorstellung wurde nun allerdings durch bedrückende Erkenntnisse eines deutschen Expertenteams der Justus-Liebig-Universität entkräftet.
Antimikrobielle Hoffnungsträger
„Aztreonam-Avibactam ist eine Kombination aus einem älteren Antibiotikum – Aztreonam – mit einem neueren Hemmstoff – Avibactam –, der die Wirksamkeit der Resistenz gegen Carbapeneme aufheben kann und so die Bakterien wieder angreifbar macht“, erläutert Dr. Can Imirzalioglu, Wissenschaftler am Institut für Medizinische Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität und Mitautor der Studie. Den Spezialisten zufolge wurde vor allem hinsichtlich der Enterobakterien eine hohe Effektivität vermutet. Diese sei angeblich auf spezielle Resistenzmechanismen gewisser Carbapenemase-Enzyme zurückzuführen. Infektionen mit derartigen cabapenemresistenten Keimen gelten in medizinischen Kreisen als äußerst schwer behandelbar, da im Rahmen der antibiotischen Therapie nur bedingt Erfolge erzielt werden. In manchen Fällen bleibt der Behandlungseffekt sogar gänzlich aus.
Vielversprechende Wirkstoffkombination widerlegt
Aktuell ist die Verwendung der beiden Substanzen auf klinische Studien beschränkt – für therapeutische Zwecke ist die Wirkstoffkombination noch nicht zugelassen. Der schweizerische Resistenzforscher Prof. Dr. Patrice Nordmann an der Universität Fribourg beschloss die potenziellen Wirkstoffe auf die Probe zu stellen. Im Verlauf eines Forschungsprojektes gelang es dem Mediziner entscheidende Resistenzmechanismen in bestimmten Bakterien zu entschlüsseln, die sich gegen Aztreonam-Avibactam richten. „Diese Resistenz entsteht durch eine spezifische Kombination aus Veränderungen in vorhandenen Strukturen der Bakterien in Verbindung mit dem Erwerb bestimmter Resistenzgene“, erklärt Dr. Yancheng Yao, Wissenschaftler am Institut für Medizinische Mikrobiologie der JLU.
Substanzen auch in Deutschland ineffektiv
In Zusammenarbeit mit den Fachleuten aus der Schweiz war das deutsche Forschungsteam dazu in der Lage, derartige Pathogene auch in Deutschland zu orten. Im Zuge dessen wurden eingehende Genomanalysen von Bakterien im Rahmen einer Surveillance-Studie durchgeführt. Die Experten zeigen sich angesichts der enttäuschenden Ergebnisse eher pessimistisch: „Alarmierend ist hierbei die Tatsache, dass diese Resistenz auch bei Bakterien gefunden wurde, die in Deutschland sehr häufig vorkommende Carbapenemasen tragen. Dadurch werde das Potenzial von Aztreonam-Avibactam als Initialtherapie deutlich eingeschränkt“, äußert sich der beteiligte Mediziner Prof. Dr. Trinad Chakraborty.
Genomanalyse erleichtert Forschungsprojekte
Trotz der ernüchternden Resultate brachte das Forschungsprojekt auch positive Aspekte mit sich: Im Verlauf der Experimente konnte die Funktionalität genombasierter Überwachungstechniken im Bereich der Keimresistenz nachdrücklich unter Beweis gestellt werden. Diese Methoden ermöglichen eine zuverlässige Verfolgung von Infektionsereignissen und tragen dazu bei bakterielle Resistenzentwicklungen rechtzeitig aufzudecken. Dank der digitalen Vernetzung konnten die erhobenen Daten in kürzester Zeit auf internationaler Basis ausgetauscht werden. Die Weiterentwicklung antibiotischer Präparate sei laut dem Forschungsteam von hoher Bedeutung, um der zunehmenden Ausbreitung resistenter Keime entgegenzuwirken.
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