Um die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 zu verhindern, führten die meisten Staaten Maßnahmen wie Lockdowns und Maskenpflichten ein. Gerade Länder, die früh reagierten, konnten mit dieser Strategie eine Überlastung des Gesundheitssystems und viele Tode verhindern. In Neuseeland scheint sich nun aber die Kehrseite der Medaille zu zeigen: Immer mehr Krankenhäuser verzeichnen schwere Fälle von RSV bei Kleinkindern – einer eigentlich eher harmlosen Atemwegsinfektion.
Erfolgreiche Corona-Strategie
Neuseeland schottete sich früh vom Rest der Welt ab und konnte so die Gesamtzahl der Infektionen unter 3000 halten. Wie etwa in Deutschland auch verhinderten die Corona-Maßnahmen zudem die Verbreitung anderer Erreger und eine Grippewelle blieb aus. Doch die Isolierung und Distanzierung zeigen nun eine unerwünschte Nebenwirkung: Das Immunsystem vieler Menschen, vor allem kleiner Kinder, ist geschwächt. So berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland, dass der Inselstaat seit der Öffnung der Grenzen für einige australische Städte im April immer mehr Fälle des RS-Virus verzeichnet. Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist der Hauptauslöser für Atemwegserkrankungen bei Kindern bis drei Jahren. Doch in Neuseeland waren viele Kinder aufgrund der Pandemiemaßnahmen dem Virus noch nie zuvor begegnet. Das führt zu immer mehr schweren Verläufen und Krankenhausaufenthalten bei Kindern und Säuglingen.
Keine Immunität unter Kindern
RSV löst ähnliche Symptome aus wie das Coronavirus: Husten, laufende Nase, Fieber, Appetitlosigkeit. Auch akute Bronchitis oder Lungenentzündung können Folge einer Infektion sein. Doch anders als bei Covid-19 sind Kinder deutlich anfälliger für die Infektion als Erwachsene. Wegen gleicher Übertragungswege führten die Corona-Maßnahmen in Neuseeland im letzten Winter zu einer Reduzierung der RSV-Fälle um 98 Prozent. „Dieser kurzfristige positive Nebeneffekt ist zu begrüßen, da er eine zusätzliche Überlastung des Gesundheitssystems verhindert“, schrieben französische Mediziner. Langfristig könne dies jedoch auch ernsthafte negative Konsequenzen haben: Wenn Kinder den Erregern nicht ausgesetzt sind, können sie keine Immunität entwickeln. Das hat zur Folge, dass irgendwann große Ausbrüche drohen können. „Immunitätsschuld“ betiteln Experten das Phänomen.
Situation wie ein Waldbrand
Michael Baker, ein neuseeländischer Epidemiologe, vergleicht die Situation mit einem Waldbrand: Je länger ein Stück Wald nicht in Flammen stand, desto mehr Brennmaterial sammelt sich auf dem Boden. So wird das nächste Feuer viel schlimmer. Ebenso verhält es sich nun mit den RSV-Infektionen in Neuseeland. Doch der Inselstaat ist nicht allein: Auch in Europa sei dieses Szenario denkbar. „Sobald wir uns wieder mehr öffnen, müssen wir alle wieder mit mehr Fällen von RSV oder eben Grippefällen rechnen“, warnt der australische Grippeexperte Ian Barr. Laut dem Mediziner könnte auch in Australien die nächste Grippesaison deutlich heftiger ausfallen. Um das Ausmaß gering zu halten, rät Barr, Maßnahmen wie etwa das Masketragen in Innenräumen in den Wintermonaten beizubehalten. Dies sei in Asien schon lange die Norm und viele Ärzte wollen sich nun anschließen. „Wir sollten alle die Lektionen aus der Pandemie lernen“, mahnt Barr.
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