Etwa ein Drittel aller Jugendlichen ist übergewichtig und fünf Prozent aller Minderjährigen leiden sogar unter Adipositas, also Fettleibigkeit. Doch auch viele Erwachsene haben starkes Übergewicht. Die Ursache dafür scheint auf der Hand zu liegen – nämlich zu fettes und süßes Essen. Was viele nicht wissen: Fettleibigkeit ist auch genetisch bedingt. Wissenschaftler der Universität Leipzig haben nun ein neues Gen identifiziert, das für Adipositas bei Kindern verantwortlich sein könnte.
Die genetischen Ursachen von Adipositas
Bisher verstehen Forscher noch nicht vollständig, warum Kinder fettleibig werden. Vermutlich wirken verschiedenste Faktoren zusammen, wie etwa eine ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung. Dass jedoch auch die Genetik eine Rolle spielt, ist bereits aus vorherigen Studien bekannt. Bei den meisten Patienten liegen Defekte an mehreren verschiedenen Genen vor, die dann zur Entstehung der Adipositas beitragen.
Die Leipziger Forscher wollten nun auch die Ursachen von selteneren Varianten der Adipositas entschlüsseln, bei denen nur ein einziges Gen der Grund für die Krankheit ist. Dies wird auch als monogene Adipositas bezeichnet. Die Betroffenen verspüren oft schon in sehr jungen Jahren kein Sättigungsgefühl und haben ein ständiges Verlangen nach Essen.
Eine Mutation erzeugt unstillbaren Hunger
Im Rahmen ihrer Forschung untersuchten die Wissenschaftler Gewebeproben eines stark übergewichtigen Mädchens. Dabei machten sie folgende Entdeckung: Aufgrund einer Mutation wird ein bestimmtes Gen, das Agouti-Signalprotein-Gen (kurz ASIP-Gen), in ungewöhnlich hohem Ausmaß exprimiert. Die hohe Aktivität des Gens fanden die Forscher in Zellen des Körpers, in denen das eigentlich nicht üblich ist, beispielsweise in Fettzellen, weißen Blutkörperchen und neuronalen Zellen. Dies führt dazu, dass im Organismus der Patientin große Mengen des Agouti-Signalproteins produziert werden. Für das Mädchen haben diese komplexen Mechanismen eine schwerwiegende Konsequenz: Sie kann kein Sättigungsgefühl verspüren.
Hoffnung auf verbesserte Diagnostik
Die Mutation, auf die die Forscher gestoßen sind, wird bisher nicht in Screening-Verfahren zur Feststellung von Adipositas berücksichtigt. Somit erhalten viele Patienten mit dieser Art der monogenen Fettleibigkeit nicht die richtige Diagnose. Mithilfe des neuen Wissens konnten allerdings schon vier weitere Personen ausfindig gemacht werden, die ebenfalls an monogener Adipositas leiden.
In einer Pressemitteilung der Universität Leipzig erklärt Prof. Matthias Blüher, einer der beteiligten Forscher: „Ich glaube, dass wir mit dieser Entdeckung unsere Strategien zur Identifizierung von Patient:innen mit monogener Adipositas neu überdenken müssen. Das ultimative Ziel unserer Forschung ist es, die Erkenntnisse aus genetischen Studien in künftige personalisierte Behandlungsmöglichkeiten für Adipositas zu übertragen.“
Adipositas durch richtige Ernährung bekämpfen
Obwohl Adipositas teilweise genetisch bedingt ist, sind Betroffene der Krankheit nicht hilflos ausgeliefert. Denn auch eine ungesunde Ernährung und mangelnde Bewegung trägt bei vielen Patienten zum starken Übergewicht bei. Deshalb lernen die Patienten im Rahmen der Behandlung der Adipositas, ihr Essverhalten zu überdenken. Anschließend wird die Ernährung radikal umgestellt. So besteht der Speiseplan dann vor allem aus Gemüse und Hülsenfrüchten. Letztere bieten neben Ballaststoffen auch Eiweiß, das Sättigungsgefühle erzeugt. Auch mageres Fleisch und Fisch enthalten viel Eiweiß. Diese sollten etwa zweimal pro Woche verzehrt werden. Außerdem müssen die Patienten zukünftig auf ungesunde Fette verzichten und weniger Kohlenhydrate essen. Ungesunde Lebensmittel wie Fertiggerichte, Fruchtsäfte und zuckrige Backwaren und Snacks sind fortan Tabu. Für Patienten, die große Probleme bei der Ernährungsumstellung haben, macht unter Umständen ein Klinikaufenthalt Sinn.
Welche weiteren Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Für die Therapie der Adipositas ist auch Sport sehr wichtig. Dabei ist vor allem Krafttraining sinnvoll, da Muskeln – im Vergleich zu Fettreserven – mehr Energie verbrennen, selbst wenn der Patient sich gerade nicht bewegt. Bei besonders schweren Fällen, also einem BMI von über 40, wird womöglich eine Operation in Erwägung gezogen. Eine Verkleinerung des Magens, auch Magen-Bypass genannt, lässt die Betroffenen nämlich schneller Sättigungsgefühle verspüren. Dieser drastische Eingriff sollte aber erst dann in Frage kommen, wenn alle anderen Abnehm-Versuche gescheitert sind.
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