Die Symptome von Covid-19 und ihre kurzfristigen Schäden sind bereits gut erforscht. Längerfristige Komplikationen wie „Long Covid“, das mehrere Wochen oder Monate nach der Genesung bei etwa zehn Prozent der Patienten auftritt, geben hingegen oftmals noch Rätsel auf. Nach neuen Erkenntnissen könnte Covid-19 sogar dazu führen, dass in Zukunft bisher seltene Autoimmunerkrankungen häufiger auftreten.
Was ist eine Autoimmunerkrankung?
Autoimmunerkrankungen sind nach dem derzeitigen Wissensstand genetisch bedingt, haben aber auch eine Umwelt-Komponente. Diese Kombination kann schlussendlich dazu führen, dass körpereigene Zellen vom Immunsystem als „Eindringlinge“ markiert und zerstört werden. Durch die Bedeutung von Umwelteinflüssen gestaltet sich eine frühzeitige Diagnose oftmals schwierig. So liegt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass zwei identische Zwillinge eine Autoimmunerkrankung entwickeln bei 12 bis 67 Prozent – in anderen Worten: Durch Umwelteinflüsse wie zum Beispiel Infektionen kann eine Krankheit im Erbmaterial auch erst ausgelöst werden. Beispiele für derartige Krankheiten sind etwa Lupus erythematodes, Multiple Sklerose und rheumatoide Arthritis. Ein charakteristisches Merkmal von Autoimmunerkrankungen sind spezielle Autoantikörper.
Antikörper vs. Autoantikörper
Nicht zu verwechseln sind Autoantikörper mit den bekannteren Antikörpern. Letztere werden vom Körper als Reaktion auf gewisse Stoffe – Antigene – gebildet und vom Immunsystem eingesetzt. Antigene sind dabei meist an Bakterien gebundene Moleküle, die im Regelfall von unserem Körper erkannt und bekämpft werden. So kann ein Covid-19-Antikörpertest bei Geimpften relativ genau bestimmen, ob der Impfschutz noch besteht, oder ob bald eine Auffrischung nötig ist. Autoantikörper greifen ebenfalls Antigene an – der große Unterschied ist allerdings, dass es sich bei diesen um körpereigene Moleküle handelt – sie zerstören also die Zellen des eigenen Körpers. Autoantikörper sind nicht nur bei Autoimmunerkrankungen am Werk, sie kommen beispielsweise auch bei Krebs vor. Damit können sie die Ursache der Krankheit sein, den Verlauf (maßgeblich) beeinflussen oder auch nur eine Begleiterscheinung davon sein.
Führt Covid-19 zu mehr Autoimmunerkrankungen?
Eine Studie zeigte nun, dass Covid-19 mitunter die Produktion von Autoantikörpern anregt. So traten diese bei 50 Prozent der Infizierten auf, jedoch nur bei 15 Prozent der gesunden Kontrollgruppe. Das war vor allem der Fall, wenn der Verlauf der Krankheit ernster und der Patient deshalb stationär behandelt werden musste. Hier könnte ein Verlust der Selbsttoleranz eine Rolle spielen: Der Körper lernt bereits früh, eigene Zellen nicht anzugreifen, doch eine immunologische Notlage könnte dazu führen, dass dies (kurzzeitig) vom Immunsystem „vergessen“ wird. Fraglich ist nun, ob es sich dabei um ein kurzfristiges Phänomen oder um einen langfristigen Nachteil handelt. Falls sich die Selbsttoleranz nach der Genesung nicht erholen sollte, könnte dies zukünftig zu mehr Autoimmunkrankheiten führen. Als nächstes wollen die Forscher deshalb Menschen nach überstandener Covid-19-Erkrankung genauer untersuchen, um zu sehen, ob sich die Zahl der Autoantikörper wieder verringert oder nicht.
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