Um Viren zu bekämpfen, stellt unser Körper bestimmte Proteine her: Die berühmten Antikörper. Wenn das Immunsystem aber nicht mehr richtig funktioniert, wie etwa im Alter oder durch die Einnahme bestimmter Medikamente, ist die Bildung dieser schützenden Proteine beeinträchtigt. In diesen Fällen kann die Gabe von Antikörper-Medikamenten helfen, die Erreger zu besiegen – so auch im Falle von COVID-19-Erkrankungen.
Neues Medikament für schwere Verläufe
Schon seit Beginn der Pandemie werden Antikörper auch in der COVID-19-Therapie eingesetzt. Allerdings sind solche bisher nur für die ambulante Behandlung von leichten bis mittleren Symptomen zugelassen. Deren Wirksamkeit gegen die Mutationen, allen voran die Delta-Variante, lässt zudem zu wünschen übrig. Doch Forschende der TU Braunschweig, des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und der Biotech-Firma YUMAB GmbH entwickelten nun einen neuen Antikörper, der die Lücke, die bisherige Medikamente gelassen haben, schließen soll: Anders als bisher zugelassene Antikörper ist COR-101 speziell für die Behandlung hospitalisierter COVID-19-Patienten gedacht. Somit bietet es gerade bei schweren Verläufen eine gute therapeutische Behandlungsoption. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden kürzlich im Fachmagazin „Cell Reports„.
Auch Delta-Variante wird neutralisiert
Für die Entwicklung des Medikaments untersuchten die Wissenschaftler zunächst das Blut von genesenen COVID-19-Patienten. So konnten sie fast 200 unterschiedliche Antikörper gegen die Hülle des Coronavirus, das Spike-Protein, isolieren. Davon identifizierten sie wiederum 30 Antikörper, die SARS-CoV-2 effizient am Eindringen in Zellen hindern, wovon sich COR-101 am wirksamsten erwies. Auf atomarer Ebene zeigten die Untersuchungen, dass der Antikörper die Viren am Andocken an die Zellen hindert und somit ihr Eindringen unterbindet. In Tierversuchen bestätigte sich seine Effizienz: Viren wurden durch die Gabe von COR-101 entweder reduziert oder komplett beseitigt. Und auch gegen die Varianten verspricht der Antikörper Erfolg: So zeigten die Untersuchungen, dass auch die Spike-Proteine von B.1.617.1 und -.3, sowie der gefährlichen Delta-Variante effektiv am Eindringen in die Zellen gehindert werden.
Überreaktion des Immunsystems wird verhindert
Anders als die bisher mit einer Notfallzulassung im Einsatz befindlichen Antikörper soll COR-101 gerade bei schweren Verläufen Hoffnung bringen. Das erreichten die Forschenden, indem sie den Teil des Antikörpers, der normalerweise das Immunsystem aktiviert, veränderten. So verhinderten sie, dass das Immunsystem bei Gabe des Antikörpers überreagiert und weitere Schäden anrichtet. Damit wird gerade für hospitalisierte COVID-19-Patienten eine gute Therapiemöglichkeit geboten. Prof. Dr. Michael Hust (TU Braunschweig), leitender Autor der Studie, ist zuversichtlich: „Ich bin überzeugt, dass dieser Antikörper noch viele Menschenleben retten wird.” Prof. Dr. Stefan Dübel (TU Braunschweig), Erfinder der Antikörper Phagen-Display-Technologie, die zur Entdeckung dieses Antikörpers genutzt wurde, blickt in die Zukunft: „Wir konnten zeigen, dass wir in kürzester Zeit einen effektiven therapeutischen Antikörpermedikamentenkandidaten entwickeln können. Dieses Wissen wird uns auch in Zukunft helfen, schneller und spezifischer bei der nächsten Pandemie reagieren zu können.”
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