Dass Rauchen als Hauptauslöser für Lungenkrebs gilt, ist allgemein bekannt. Dennoch besteht auch bei strikten Nichtrauchern das Risiko gefährliche Karzinome im Atemtrakt zu entwickeln. Einem amerikanischen Forschungsteam gelang es nun weitere bedeutende Risikofaktoren abseits des Tabakkonsums zu entschlüsseln.
Genetische Veränderungen untersucht
Eine Krebserkrankung stellt das Resultat zahlreicher vorangegangener Mutationen und Fehlbildungen im Erbgut dar, die durch unkontrollierte Zellvermehrung verursacht wurden. Um die genauen Hintergründe einer bestimmten Krebsform zu ergründen, analysierten Onkologen des National Cancer Institute deshalb genetische Veränderungen in den Krebszellen. Basierend auf den erzielten Ergebnissen könnten in Zukunft innovative Ansätze erarbeitet werden, die die Krebstherapie noch wirksamer gestalten.
Natürliche Prozesse als Auslöser
Im Zuge der Genomanalyse bei nichtrauchenden Patienten stellte sich heraus, dass sich der Großteil der Tumore durch vermehrte Genveränderungen entwickelte, die durch natürliche Vorgänge im Körper hervorgerufen wurden. In Anbetracht der ermittelten Daten unterschieden die Experten drei Unterarten von Lungenkarzinomen, die in keiner Weise mit Zigarettenkonsum in Verbindung stehen. „Was wir sehen ist, dass es verschiedene Subtypen von Lungenkrebs bei Nichtrauchern gibt, die unterschiedliche molekulare Merkmale und Entwicklungsprozesse aufweisen“, betont die Studienleiterin und renommierte Onkologin Dr. Maria Teresa Landi. „In Zukunft können wir vielleicht unterschiedliche Behandlungen auf der Grundlage dieser Subtypen anbieten“, erhofft sich die Expertin.
Weltweit tödlichste Krebsart
Lungenkrebs zählt weltweit als häufigster Auslöser für krebsbedingte Todesfälle. Jedes Jahr erhalten mehr als zwei Millionen Menschen auf der Welt diesen schockierenden Krankheitsbefund – rund 1,8 Millionen Erkrankte kostet diese Diagnose jährlich das Leben. Obwohl die meisten Betroffenen regelmäßig Zigaretten konsumierten, verfielen 20 Prozent niemals diesem Laster. Bei Nichtrauchern macht sich die Erkrankung oftmals schon in einem früheren Alter bemerkbar als bei Tabakkonsumenten. Zudem tritt nicht-tabakbedingter Lungenkrebs bei Frauen tendenziell häufiger auf als bei Männern. Umweltbedingte Risikofaktoren wie Luftverschmutzung, Radonstrahlen, Passivrauchen, Asbest-Exposition sowie frühere Lungenkrankheiten liefern zumindest für gewisse Lungenkrebsfälle bei Nichtrauchern eine plausible Erklärung – allerdings bei Weitem nicht für alle. Des Weiteren lag bisher keine zuverlässige Datenlage vor, wie viele der Lungenkrebserkrankungen explizit bei Nichtrauchern auftreten.
Mutationsmuster im Fokus
Um zukünftig auf Basis präziser Angaben forschen zu können, untersuchten die Mediziner den genetischen Code von 232 nichtrauchenden Lungenkrebserkrankten. Keiner der Betroffenen wurde zu diesem Zeitpunkt einer onkologischen Behandlung unterzogen. Im Zuge der Analyse versuchten die Forscher bestimmte Mutationsmuster ausfindig zu machen, die beispielsweise auf oxidativen Stress, Karzinogene sowie mangelnde DNA-Reparatur zurückgeführt werden können. Laut den Experten verfügt verändertes Genmaterial über bedeutende Informationen, die dazu beitragen, die genauen Ursachen einer Krebserkrankung zu ergründen. Wie in einem Archiv sind die Onkologen dazu in der Lage, jegliche Genveränderungen detailliert zurückzuverfolgen. Damit auch andere Mediziner die entschlüsselten Mutationsmuster in ihren Forschungen berücksichtigen können, verfügt die internationale Krebsforschung über einen umfangreichen Katalog bekannter Genveränderungen, der fortwährend durch neue Erkenntnisse erweitert wird.
Von Piano bis Forte
Die Evaluierung der Daten ergab, dass der Großteil der Tumorgenome bei Nichtrauchern Mutationsmuster aufwies, die im Rahmen endogener Prozesse entstehen. Dies bedeutet, dass die Beeinträchtigungen auf natürliche Vorgänge im Körper zurückzuführen sind und externe Faktoren hinsichtlich des Tumorwachstums keine zentrale Rolle einnehmen. Die Lungenkrebserkrankungen bei Nichtrauchern lassen sich in drei Unterkategorien einteilen:
- Der am weitesten verbreitete Subtyp „Piano“ weist äußerst wenige Mutationen auf und entwickelt sich eher langsam. Den Forschern zufolge wird er durch die Aktivierung von Vorläuferzellen ausgelöst und gilt im Allgemeinen als schwer behandelbar.
- Liegen spezifische Chromosomveränderungen sowie Mutationen im Wachstumsfaktor-Rezeptor-Gen „EGFR“ vor, so lässt sich das Krankheitsbild am ehesten dem Subtyp „Mezzo-Forte“ zuordnen, der sich durch rapides Tumorwachstum auszeichnet.
- Unter der Variante „Forte“ wird jene Krebsunterart verstanden, die am ehesten dem Krankheitsbild rauchender Erkrankter ähnelt, da auch diese Variante mit einer Verdoppelung des gesamten Genoms in Verbindung steht. Ähnlich wie der Subtyp „Mezzo Forte“ breitet sich dieser Krankheitstyp äußerst schnell aus.
Bedeutender Beitrag zur Lungenkrebsforschung
„Wir fangen an, Subtypen zu unterscheiden, für die es möglicherweise unterschiedliche Ansätze zur Vorbeugung und Behandlung gibt“, konkludiert Dr. Landi. Insbesondere der langsam wachsende Piano-Subtyp könnte zukünftig durch spezielle Diagnosetechniken zeitgerecht aufgedeckt und im Anschluss angemessen therapiert werden. Da die anderen beiden Varianten hinsichtlich Wachstumsgeschwindigkeit und Mutationsweise entscheidende Differenzen aufweisen, besteht für diese Patienten spezieller Therapiebedarf. „Wir stehen erst am Anfang unseres Verständnisses, wie sich diese Tumore entwickeln“, betont die Studienleiterin.
Die gewonnenen Erkenntnisse liefern einen bedeutenden Beitrag zur Lungenkrebsforschung: Erstmals gelang es Medizinern, eindeutige Unterschiede bezüglich der Lungentumore von Nichtrauchern zu klassifizieren. Das Forschungsteam hofft, dass die Analyse genomischer Tumorcharakteristika zukünftig neue Perspektiven zur Erforschung diverser Krebsarten und Untertypen ermöglichen wird.
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