Das Risiko sich in Innenräumen mit SARS-CoV-2 zu infizieren ist aufgrund des geringen Luftaustauschs besonders hoch. Doch auch wenn physischer Kontakt durch die Maßnahmen aktuell nur eingeschränkt möglich ist, ist die Präsenz von mehreren Personen im selben Raum mancherorts kaum vermeidbar. Dies ist beispielsweise in Kitas, Schulen, Fabrikhallen oder anderen Arbeitsbereichen der Fall. Um hier das Infektionsrisiko in Zukunft besser einschätzen zu können, hat ein Team Forschender nun eine App namens HEADS (Human Emission of Aerosol and Droplet Statistics) entwickelt.
App schätzt über Aerosole Ansteckungsrisiko ein
Mit dieser Web-App sollen mithilfe der Eingabe einfacher Parameter genauere Einschätzungen über das Risiko für eine Ansteckung mit dem Coronavirus getroffen werden als bisher. Erfunden wurde das innovative System von einem Team des Göttinger Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation und der Universitätsmedizin Göttingen. Die App wurde aus den neuesten wissenschaftlichen Kenntnissen heraus entwickelt und beruht auf einem statistischen Verfahren. Dieses trifft anhand der Größenverteilung infektiöser Schwebeteilchen – sogenannter Aerosole – Aussagen über die Gefahr einer Infektion. Die App berücksichtigt jedoch keine größeren Tröpfchen (mit über 50 Mikrometer Durchmesser), die bei engem Kontakt freigesetzt werden. Hierbei lässt sich die Infektionsgefahr durch die Einhaltung eines Sicherheitsabstands von 1,5 Metern allerdings leicht minimieren, denn große Tröpfchen fallen schnell zu Boden im Gegensatz zu kleineren. Die Größe solcher Tröpfchen bewegt sich in der Regel zwischen 100 Nanometern (etwa so groß ist ein einziger Virus) und einem Millimeter. Über 50 Mikrometer große Tröpfchen sinken sehr schnell zu Boden.
Unterschied zwischen Aerosolen und Tröpfchen
Viren können über Aerosole aus der Atemluft als auch über die allseits bekannte Tröpfcheninfektion übertragen werden. Bei einer Tröpfcheninfektion werden die Viren in Form von Speicheltropfen auf direktem Weg zur Schleimhaut des Gegenübers übertragen. Ansteckungen über Aerosole sind hingegen luftgetragen. Hier werden die Viren gebunden in kleinsten Flüssigkeitspartikeln – weitaus kleiner als Partikel bei einer Tröpfcheninfektion – über die Luft zu den Atemwegen übertragen. Je nach Größe der Virus-Träger (der sogenannten Träger-Aerosole) kann das Ansteckungsrisiko variieren. Weitere Einflussfaktoren sind Raumklima und die Luftwechselrate. Daher ist es auch so wichtig Innenräume regelmäßig zu lüften. Große und dadurch schwerere Aerosole sinken schneller zu Boden, kleinere und damit leichtere halten sich hingegen länger in der Luft.
Einfache Bedienung – genaue Vorhersagen
Trotz immer wiederkehrender Lockdowns und laufender Maßnahmen zur Eindämmung der Infektionszahlen ist es unbedingt notwendig auch Mittel zu finden, die für jeden im Alltag einsetzbar sind. Denn wir können ja nicht dauerhaft in völliger Absonderung zueinander leben. Aus dieser Motivation heraus kamen die Forschenden auf die Idee der HEADS-App – nicht zuletzt auch aufgrund der neuen Entwicklungen hinsichtlich steigender Anzahl an Virus-Varianten. Diese Hilfestellung ist kostenlos, einfach zu bedienen und damit für jeden zugänglich. Funktionieren soll diese in Räumen mit bis zu 100 Quadratmetern, das entspricht in etwa der Größe von 2 Klassenzimmern. Mit der Eingabe von Parametern wie Raumgröße, Personenanzahl und sprachlicher Aktivität – wie ob bloß geatmet, laut gesprochen oder gar gesungen wird – ist das statistische Programm in der Lage die Infektionsgefahr relativ genau vorherzusagen.
Je größer ein Aerosol, desto gefährlicher
Größere Tröpfchen sinken zwar schneller und sind damit nicht so lange in der Luft, allerdings geht ein größeres Aerosol ebenso mit mehr potenziell darin enthaltenen Viren einher. Die HEADS-App berücksichtigt diesen Zusammenhang in ihren Analysen, weshalb sich damit besonders zuverlässige Aussagen über die Virenlast in Innenräumen treffen lassen. Anwendbar ist das Programm in geschlossenen Räumen, eine gleichmäßige Aufteilung der Personen ist Voraussetzung. Die Genauigkeit in der Beurteilungsfähigkeit dieser App im Vergleich mit anderen dieser Art ist in jedem Fall von großem Vorteil. Dieser Vorsprung in der Sicherheit der Vorhersagen geht allerdings mit einem Nachteil einher: HEADS geht im Gegensatz zu den meisten Apps von höheren Ansteckungsrisiken aus. Das Risiko lässt sich laut den Forschenden allerdings leicht abschwächen, indem auf die Nutzung eng anliegender FFP2-Masken gesetzt wird. Aktuell gibt es HEADS nur auf Deutsch und Englisch, die App soll aber bald in weiteren Sprachen verfügbar sein.
Was meinen Sie?