Darüber wissen nur die Wenigsten Bescheid: Aus gesetzlicher Sicht müssen alle symptomatischen Covid-19-Fälle, bei denen die Infektion am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsweg stattgefunden hat, umgehend als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall gemeldet werden. Dafür ist grundsätzlich nicht der Beschäftigte selbst, sondern der Vorgesetzte, Arzt oder die Krankenkasse zuständig. Erfolgt keine derartige Meldung durch die zuständigen Positionen, droht Betroffenen im Fall von eintretenden Spätfolgen ein Leistungsverlust, denn durch die Krankenkasse sind Leistungen wie berufliche Reha oder Unfallrenten nicht unbedingt gedeckt.
Selbständig handeln
Im Falle einer Infektion am Arbeitsplatz oder auf dem Arbeitsweg ist es somit wichtig, dass Betroffene wissen, an wen sie sich wenden können, um eine korrekte Meldung zu erwirken. Denn: Im Nachhinein kann das Infektionsgeschehen meist nicht mehr offiziell nachgewiesen werden. Je nach Berufsgruppe wird hierbei zwischen Berufskrankheit oder Arbeitsunfall unterschieden. In beiden Fällen ist der Ansprechpartner entweder die jeweilige Berufsgenossenschaft oder die Unfallkasse.
Voraussetzungen für Anerkennung als Berufskrankheit
Bei Beschäftigten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in Laboren fällt eine arbeitsbedingte Infektion mit Covid-19 unter Berufskrankheit, denn diese Gruppe sei automatisch einem größeren Krankheitsrisiko ausgesetzt. Ihr Vorteil: Die Anerkennung als Berufskrankheit 3101 kann ohne besondere Nachweise erfolgen. Betreffende müssen dafür lediglich den Kontakt mit einem Infizierten am Arbeitsplatz, einen positiven PCR-Test und einen symptomatischen Verlauf nachweisen. Unmittelbar nach einer Infektion lassen sich diese Faktoren meist einfach belegen – im Nachhinein wird das allerdings immer schwieriger bis nahezu unmöglich.
Zwei-Klassen-System?
Auch Berufe wie Lieferanten und Reinigungskräfte, die in den genannten Bereichen tätig sind, fallen unter diese Kategorie. Außerdem wurde im Dezember 2020 die Anspruchsgruppe für Berufskrankheitsanerkennung weiter ausgeweitet: Nun steht auch Beschäftigten in Kitas und Erziehern eine derartige Meldung zu. Doch Rechtsberater der Arbeitnehmerkammer kritisieren diese Zwei-Klassen-Anerkennung nach wie vor – schließlich gibt es noch viele andere Berufe, in denen Beschäftigte einem vergleichbaren Infektionsrisiko ausgesetzt sind.
Voraussetzungen für Anerkennung als Arbeitsunfall
Nicht genannte Berufsgruppen können eine Covid-19-Infektion als Arbeitsunfall melden. Diese Option besteht grundsätzlich für alle Tätigkeiten unter ähnlichen Voraussetzungen: Die Ansteckung am Arbeitsplatz sowie das spezifische Infektionsereignis (Kontakt zum Covid-19-Überträger) müssen nachgewiesen werden. Der Unterschied zur Berufskrankheit ist also, dass der Nachweis hierbei auf einen konkreteren Zeitpunkt zurückzuführen sein muss. Auch hier ist das Auftreten von Symptomen Voraussetzung. Hinsichtlich der Symptome reicht es sowohl bei der Berufskrankheit als auch beim Arbeitsunfall allerdings bereits aus, wenn der Betroffene unter Fieber, Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen leidet. In letzter Instanz entscheidet beim Arbeitsunfall jedoch immer die Unfallkasse oder Berufsgenossenschaft, ob die Erkrankung als Arbeitsunfall anerkannt wird.
Beispielsfall: Wortfindungsstörungen nach Covid-19
Gerade bei einer neuen Infektionskrankheit wie Covid-19, bei der die Studienlage zu Langzeitfolgen aufgrund fehlender Erfahrungswerte noch nicht hinreichend gedeckt ist, ist es wichtig sich im Falle versorgungstechnisch abzusichern. Dies zeigte jüngst der Fall einer Sozialpädagogin aus dem Pflegebereich: Die Frau hatte sich in ihrem Arbeitsumfeld mit SARS-CoV-2 infiziert und infolgedessen einen mittelschweren Krankheitsverlauf entwickelt. Nachdem sie sich wieder gesund fühlte, wechselte sie den Arbeitgeber. Doch nach kürzester Zeit traten wieder Symptome auf: Sie erlebte Wortfindungsschwierigkeiten, die immer schlimmer wurden. Nach einiger Zeit wurden die Störungen so gravierend, dass ihre Artikulationsfähigkeit nahezu völlig schwand, was eine sofortige Kündigung seitens ihres neuen Arbeitgebers nach sich zog. Glücklicherweise hatte sie zuvor eine Meldung als Berufserkrankung eingereicht, weshalb ihr nun berufliche Reha und gegebenenfalls Unfallrente zustehen.
Sachlage muss besser kommuniziert werden
Das Problem: Leider wissen bis dato die Wenigsten darüber Bescheid, dass eine Ansteckung mit Covid-19 überhaupt als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit gemeldet werden kann. Die eigentliche Zuständigkeit der korrekten Anerkennung einer Infektion liegt beim behandelnden Arzt, Arbeitgeber oder der Krankenkasse. Wird jedoch von den Zuständigen nichts unternommen, liegt die Verantwortung beim Betroffenen selbst. Daher appelliert die Arbeitnehmerkammer an die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen für eine sofortige und offenere Übermittlung der Informationen über die Sachlage. Beschäftigte können bei der Arbeitnehmerkammer auch eine Berufskrankheitenberatung in Anspruch nehmen, wo sie über die konkrete Sachlage aufgeklärt werden. Bisher wurde diese Beratung leider nur in seltenen Fällen in Anspruch genommen. Aus diesem Grund ist transparente Kommunikation in dem Bereich dringend notwendig.
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