Die moderne Medizin stellt uns eine Vielzahl an Methoden zur Diagnose und Analyse zur Verfügung. Viele Verfahren kommen allerdings kaum zum Einsatz, da sie in der Durchführung teuer oder zeitintensiv sind. Mit der neuen Technologie eines Forschungsteams der Charité besteht dieses Problem nicht.
Massenspektrometrie bietet Einblick in Krankheitsverläufe
Proteine befinden sich in jeder Zelle des menschlichen Körpers und erfüllen lebenswichtige Aufgaben. Wenn äußere Einflüsse wie Krankheitserreger oder Medikamente in den Körper gelangen, löst das bei den Eiweißen verschiedene Reaktionen aus. So entsteht ein ganz bestimmtes Muster, das Proteom, welches in Gewebe- oder Blutproben abgelesen werden kann. Anhand dieses Proteoms können Forschende zum Beispiel Erkrankungen besser verstehen oder individuelle Aussagen über Krankheitsverläufe machen. Um das Proteinmuster auszulesen, wird die Massenspektrometrie verwendet, welche allerdings noch sehr kosten- und zeitaufwendig ist. Ein Forschungsteam der Charité Universitätsmedizin Berlin will dieses Problem nun gelöst haben.
Analyse dank Machine Learning in Minutenschnelle
„Scanning SWATH“ heißt die von Charité und Francis Crick Institute entwickelte Technologie, die sehr viel schneller und günstiger arbeitet als herkömmliche Verfahren: In nur wenigen Minuten liefert sie das Ergebnis, wodurch pro Tag mehrere Hundert Proben gemessen werden können. „Um die Technologie zu beschleunigen, haben wir die elektrischen Felder im Massenspektrometer verändert“, erklärt Prof. Dr. Markus Ralser, Direktor des Instituts für Biochemie der Charité. Dabei entstehen sehr komplexe Daten, die Menschen nicht mehr analysieren können. Die Forschenden nutzten daher sogenannte Neuronale Netzwerke, eine Art von Machine Learning Algorithmen, um die biologischen Informationen herauszufiltern und zu untersuchen. „Das erlaubt uns, Tausende Proteine parallel zu bestimmen, und reduziert die Messzeit um ein Vielfaches. Erfreulicherweise ist die Methode darüber hinaus auch genauer“, so Prof. Ralser.
Proteinmuster hilft bei der Covid-19-Einschätzung
Anwendung könnte die SWATH-Methode zum Beispiel in der SARS-CoV-2-Therapie finden. Mittels der Proteom-Analyse könnten biologische Merkmale (Biomarker) identifiziert werden, die Auskunft über den Krankheitsverlauf geben. Bei Blutplasmaanalysen von 30 Covid-19 Patienten und 15 gesunden Personen fanden die Forschenden insgesamt 54 Proteine, deren Konzentration je nach Schweregrad der Erkrankung entweder erhöht oder verringert war. So könnten Mediziner zukünftig mithilfe der neuen Technologie das individuelle Risiko von Erkrankten bestimmen. „Wir haben mit unserer neuen Methode also in kürzester Zeit Protein-Fingerabdrücke in Blutproben entdeckt, anhand derer wir jetzt Covid-19-Betroffene entsprechend der Schwere ihrer Erkrankung einteilen können“, sagt Dr. Christoph Messner, einer der Studienautoren und Wissenschaftler am Institut für Biochemie der Charité sowie am Francis Crick Institute. „Eine solche objektive Einschätzung kann sehr wertvoll sein, da die Patientinnen und Patienten ihren Gesundheitszustand zum Teil überschätzen.“
Technologie mit Potential
Ob bei der Identifikation von Biomarkern, der Grundlagenforschung oder der Arzneimittelsuche – die möglichen Anwendungsgebiete sind zahlreich. Außerdem sieht Prof. Ralser in der massenspektrometrischen Methode eine Ergänzung der Routineuntersuchung: „Das Proteom zu bestimmen, kostet jetzt weniger als ein großes Blutbild. Durch die Bestimmung vieler Tausend Proteine gleichzeitig liefert eine Proteom-Analyse zusätzlich viel mehr Informationen. Ich sehe in einer flächendeckenden Anwendung deshalb großes Potenzial, beispielsweise für die frühzeitige Erkennung von Krankheiten. In unseren Studien werden wir daher weiter auf einen solchen Einsatz der Proteom-Technologie hinarbeiten.“
Was meinen Sie?