Verhüten ist Frauensache, nach wie vor. Ob Pille, Spirale oder Hormonpflaster – Frau hat die Qual der Wahl bei dem vielfältigen Angebot an Verhütungsmethoden. Die meisten davon kommen in einem Hormoncocktail, wie etwa die Anti-Baby-Pille, die Mutter aller Kontrazeptiva für die Frau. Doch was einst als Durchbruch und Befreiung der weiblichen Sexualität gefeiert wurde, ist heute oft unhinterfragt und selbstverständlich geworden. Ungerechterweise, finden viele Frauen und auch Männer. Wo bleibt die Pille für den Mann?
Gleiche Beteiligung, gleiche Verantwortung?
Längst werden männliche Stimmen laut, die sich ebenfalls aktiver an der Prävention beteiligen und ihre eigene Fruchtbarkeit kontrollieren wollen. Bisher haben die Herren der Schöpfung dazu nur zwei sehr unterschiedliche Methoden zur Verfügung: das Kondom und die Vasektomie. Das Kondom ist und bleibt die Nummer Eins der Verhütungsmittel. 2019 nutzten in Österreich 38 Prozent der Befragten diese Methode – dicht gefolgt von der Pille mit 34 Prozent. Vor allem junge Paare (genauer: Frauen) schlucken sie häufig, immerhin ist die hormonbasierte Anti-Baby-Pille relativ sicher und „unkompliziert“ in der Anwendung. Doch sie belastet die Frau mit einer Menge Nebenwirkungen wie Übelkeit, Gewichtszunahme, depressiven Verstimmungen oder auch weniger Lust am Sex – Beschwerden, die viele Männer ihren Partnerinnen abnehmen wollen. Außerdem ist es natürlich angenehm, selbst über seine Fruchtbarkeit bestimmen zu können. Tatsächlich sind hormonelle Verhütungsmittel für ihn bereits seit Jahrzehnten in Entwicklung; jedoch mit wenig Biss und einigen Rückschlägen.
So kann „Mann“ verhüten
Verhütungsmittel für den Mann wirken ebenso wie ihre weiblichen Pendants auf unterschiedlichen Ebenen. Einige bilden mechanische Barrieren, die keine Samenflüssigkeit bzw. Spermien durchlassen, andere sollen die Spermienproduktion hemmen oder die Reifung unterdrücken. Hier kommen wie bei der Frau Hormone zum Einsatz. Von folgenden Verhütungsmitteln sind bisher nur das Kondom und die Vasektomie möglich, alle anderen befinden sich noch in der Entwicklung:
- Kondom: Das Kondom als Verhütungsmittel bietet die Freiheit von Schutz mit wenig Aufwand. Wenn Mann keine fixe Partnerin hat, dann ist diese Form der Verhütung oft die erste bzw. einzige Wahl. Das Kondom hat einen Pearl-Index von 2 bis 12. Dieser gibt an, wie viele von 100 Frauen trotz Anwendung des Verhütungsmittels schwanger werden. Zum Vergleich: Die Anti-Baby-Pille hat (bei korrekter Einnahme) einen Pearl-Index zwischen 0,1 und 0,9. Für die große Schwankungsbreite beim Kondom sind vor allem die richtige Handhabung und die Qualität verantwortlich. Ein großer Vorteil: Es verhindert auch die Übertragung von Krankheitserregern wie HIV, Chlamydien oder Treponema pallidum (Erreger von Syphilis).
- Vasektomie: Hierbei werden in einem operativen Eingriff die Samenleiter durchtrennt und die Enden verschlossen, sodass keine Spermien mehr in die Samenflüssigkeit gelangen. Die OP ist sehr risikoarm und unter lokaler Betäubung möglich. Lustempfinden, Orgasmus und Ejakulation bleiben unbeeinträchtigt. Jedoch ist die „männliche Sterilisation“ langfristig und kann nur schwer rückgängig gemacht werden. Einen solchen Schritt sollten sich daher beide Partner gut überlegen!
- Vasalgel: Eine vielversprechende Methode ist auch das hormonfreie Vasalgel, das bereits 1970 entwickelt wurde, aber noch nicht auf dem Markt ist. Dabei sorgt ein Kunststoffgel, das in den Samenleiter injiziert wird, für eine Barriere. Sie lässt zwar die Samenflüssigkeit durch, aber keine Spermien. Die Wirkung hält etwa zehn Jahre an und kann zudem rückgängig gemacht werden: Mittels eines Lösungsgels löst sich die Barriere wieder auf. Unterschiedlich fortgeschrittene Studien zu Vasalgels gibt es etwa aus Indien und den USA. Nebenwirkungen sind bisher wenig bekannt, allerdings fehlen noch größer angelegte Studien. Auch komplizierte Zulassungsverfahren stehen im Weg.
- Hormonspritze: Diese Form der „Pille für den Mann“ ist eigentlich eine Spritze und reduziert den Spermiengehalt im Ejakulat auf weniger als eine Million Spermien pro Milliliter. Laut WHO gilt Mann bereits bei 15 Millionen Spermien pro Milliliter als zeugungsunfähig. Das Mittel war zunächst vielversprechend – eine Studie dazu brach die WHO jedoch aufgrund der Nebenwirkungen ab.
Studie abgebrochen: zu heftige Nebenwirkungen
Die Studie der WHO zur Hormonspritze startete 2008 und endete 2011 vorzeitig. Einmal monatlich wurde den teilnehmenden Männern das Verhütungsmittel verabreicht. 320 Paare aus 8 Ländern nahmen an der Studie teil – erfolgreich. Das Mittel war so zuverlässig wie die Anti-Baby-Pille und 90 Prozent der Männer vertrugen es gut. Die restlichen 10 Prozent jedoch klagten über Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Libido-Verlust und Stimmungsschwankungen bis hin zur Depressivität. Kommt Ihnen bekannt vor? Richtig, genau diese Nebenwirkungen nehmen viele Frauen tagtäglich auf sich, die die Pille einnehmen. Warum ist also für Männer unzumutbar, was Frauen anscheinend als notwendig in Kauf nehmen?
Heute strengere Auflagen als früher
Androloge Michael Zitzmann, der am Projekt beteiligt war, nennt unter anderem die heute strengeren Regeln bei der Zulassung von Medikamenten als Grund. Er bezweifelt außerdem, dass die Anti-Baby-Pille aus den 60ern im Jahre 2020 für den Markt zugelassen werden würde. Trotzdem verschreiben viele Ärztinnen und Ärzte wie selbstverständlich die Pille als „Allheilmittel“ für allerlei Frauenproblemchen. Die verhütende Wirkung ist oft ein „positiver Nebeneffekt“ bei schönerer Haut oder regelmäßigem Zyklus. Ein solcher Umgang nimmt die Männer aus der Verantwortung und lässt ihnen gleichzeitig wenig eigene Auswahlmöglichkeiten. Dabei sollte Verhütung gleichberechtigt sein; und dies umso mehr anspornen, sich neue Methoden anzuschauen und diese in Zukunft mit Entschlossenheit weiterzuentwickeln.
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