Eine Covid-19-Erkrankung führt bei einem Drittel der Betroffenen zu psychiatrisch oder neurologisch bedingten Störungen – so die Ergebnisse einer neuen Studie von Forschenden der University of Oxford. Die Wissenschaftler haben sich mit den möglichen Folgen einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus auf das Gehirn beschäftigt.
Psychische oder neurologische Folgen bei 34 Prozent
Das Forscherteam untersuchte über 81 Millionen Patientenakten aus dem TriNetX-Netzwerk, einer US-amerikanischen elektronischen Datenbank. Darunter befanden sich Daten über 230.000 genesene Covid-19-Fälle, welche während des darauffolgenden Halbjahres hinsichtlich psychiatrischer und neurologischer Folgen untersucht wurden. Für die Studie wurden 14 unterschiedliche psychiatrische und neurologische Erkrankungen herangezogen. Im Zuge der Auswertung wurde bei 34 Prozent der Covid-19-Überlebenden – also einem Drittel – eine psychiatrische oder neurologische Störung diagnostiziert. Von den Betroffenen erhielten 13 Prozent zum ersten Mal eine derartige Diagnose.
Diese Krankheiten wurden beobachtet
In die Gruppe der neurologischen Folgen (Erkrankungen des Nervensystems) wurden Krankheiten wie Schlaganfall, Demenz, Muskelkrankheit, Parkinson, Hirnblutung oder Hirnhautentzündung eingeordnet. Um den psychologischen Aspekten auf den Grund zu gehen, betrachteten die Forschenden alle Studienteilnehmer hinsichtlich Substanzstörungen, Schlaflosigkeit, Stimmungs- und Angststörungen. Die Symptome wurden mit dem jeweiligen Schweregrad des Krankheitsverlaufs verglichen. So konnten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen vergangenen Covid-19-Erkrankungen und neurologischen sowie psychiatrischen Folgen beleuchten. Zwar kamen neurologische Symptome deutlich weniger häufig vor, dennoch gehen die Studienautoren – vor allem nach schweren Krankheitsverläufen – von einem bedeutenden Einfluss des SARS-CoV-2-Virus auf das Nervensystem aus.
Chronische Erkrankungen besonders bedrohlich
Das Problem: Viele der in der Studie erwähnten Krankheiten sind chronisch oder können sich dazu entwickeln und haben damit das Potenzial Betroffene lebenslang zu beeinträchtigen. Auch wenn nicht außerordentlich viele Infizierte Gefahr laufen erwähnte Störungen zu entwickeln, sind die Forscher beunruhigt, denn: Die pandemischen Auswirkungen können auf globaler Ebene durchaus bedenkliche Konsequenzen für die Gesundheits- und Sozialsysteme nach sich ziehen. Daher sollten wir uns rüsten, um etwaigen Versorgungsengpässen vorzubeugen, appellieren die Wissenschaftler an den Gesundheitsbereich.
Stimmungs- und Angststörungen am häufigsten
Mit 17- beziehungsweise 14-prozentiger Häufigkeit waren Angst- sowie Stimmungsstörungen bei Covid-19-Genesenen besonders stark vertreten. Bei 7 Prozent wurde Substanzmissbrauch, bei 5 Prozent Schlaflosigkeit diagnostiziert. Auswirkungen auf das Nervensystem waren im Vergleich weitaus seltener vertreten: Ischämische Schlaganfälle (Hirninfarkte) äußerten sich bei 2,1 Prozent als Folge einer Covid-19-Erkrankung. 0,6 Prozent der Patienten waren von Hirnblutungen und 0,7 Prozent von Demenz betroffen. Die Studienergebnisse der Covid-19-Überlebenden wurden mit Gruppen anderer Atemwegsinfektionen wie Influenza verglichen.
Gefahr steigt mit Schwere des Verlaufs
Im Zuge des Vergleichs der Virusinfektionen zeigte sich, dass das Risiko für psychische sowie neurologische Folgen nach schweren Krankheitsverläufen durch SARS-CoV-2 am höchsten war. Wie zu Beginn erwähnt äußerten sich durch Covid-19 bei jedem Dritten genannte Folgeerkrankungen. Betrachtet man allerdings bloß jene, die in Folge ihrer Erkrankung im Krankenhaus behandelt werden mussten, waren sogar 38 Prozent davon betroffen. Unter den intensivmedizinischen Patienten litten stolze 46 Prozent unter derartigen Auswirkungen. Von Betroffenen, bei denen das Virus zu einem Delirium führte, trafen bei 62 Prozent psychiatrische oder neurologische Nachwirkungen zu. Bei den letzten beiden Gruppen war das Risiko für das Nervensystem betreffende Folgen deutlich erhöht: 2,7 Prozent (der intensivmedizinisch Behandelten) und 3,6 Prozent (der Delirium-Fälle) erkrankten an einer Hirnblutung – ohne Krankenhausaufenthalt waren es lediglich 0,3 Prozent. Hirninfarkte traten sogar bei rund 7 beziehungsweise 9,4 Prozent auf.
Risiko steigt durch Covid-19 um 44 Prozent
Die Fachleute wägten alle durch Covid-19 bedingten Fälle nach beeinflussenden Faktoren wie Alter, Geschlecht und ursprünglichem Gesundheitszustand ab. So konnte ein unabhängiger Vergleich mit Genesenen der Grippe (Influenza) angestellt werden. Dieser ergab ein um 44 Prozent erhöhtes Risiko für neurologische und psychische Auswirkungen aufgrund von Covid-19 als durch Influenza. Im Vergleich mit Atemwegsinfektionen war diese Gefahr um 16 Prozent erhöht. Die Werte bezogen sich auf nahezu alle untersuchten Krankheiten – außer auf Parkinson und das Guillain-Barré-Syndrom.
Unsicherheit der Studie spricht für mehr Forschung
Nach Aussage der Studienautoren sollten Forschende die Ergebnisse der Studie als Appell dafür sehen sich weiter und genauer mit dem Thema auseinanderzusetzen. Sie weisen aber auch darauf hin, dass die herangezogenen Akten die allgemeine Situation nicht mit Sicherheit widerspiegeln können. Denn die Wissenschaftler gehen davon aus, dass für unzählige an Covid-19 Erkrankte gar keine medizinischen Nachweise existieren. Und zwar aus diesem Grund, weil jene, die unter keinen oder lediglich leichten Symptomen leiden, trotz Krankheit in vielen Fällen gar keine Gesundheitsversorgung in Anspruch nehmen. Dazu kommt, dass mit derzeitigem Wissensstand nur wenig Details zu den genauen Verläufen der Folgeerkrankungen bekannt sind. Die genannten Gründe, die die Genauigkeit dieser Studie in Frage stellen, sollten umso mehr dafür sprechen, dass in diesem Bereich noch weitaus intensiver geforscht werden muss.
Wolf
14.04.2021 15:34Ich stimme Ihnen vollinhaltlich zu! Es ist unbedingt notwendig, mehr Studien über die Spätwirkungen und Begleiterkrankungen sowie chronischen Auswirkungen von Covid-19 anzulegen und alle Informationen auch zentral zu erfassen. Man sollte sich bewußt werden, dass es jeden treffen kann! Die Prozentzahlen sprechen eine deutliche und besorgniseregende Sprache. Es wird eines großangelegten Gesundheits- und Sozial-Plans bedürfen, um mit diesen schwerwiegenden Folgen an den vielen Menschen klar zu kommen!