Bisher galten vor allem Personen über 60 Jahren als Risikogruppe, wenn es um Covid-19 ging. Durch die neuen Mutationen dürfte sich das aber nun langsam ändern, denn immer jüngere Personen kämpfen mit schweren Verläufen. Anzeichen dafür sind steigende Zahlen der künstlichen Beatmung in dieser Altersgruppe. Auch bei der Auswertung der Fallzahlen für den Krankenhaus-Report 2021 durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) scheint sich diese Vermutung nun mehr und mehr zu bestätigen.
Fallzahlen gehen langsam zurück
Zuerst aber die gute Nachricht: Die Fallzahlen der Covid-19-Erkrankten gehen spürbar zurück, vergleicht man die Daten im Zeitraum von Oktober 2020 bis Januar 2021 mit denen im Vorjahr. So zeigt sich ab Dezember ein Rückgang um 21 Prozent, der aber insgesamt nicht so stark ausfällt wie noch bei der ersten auf die zweite Welle. Ebenso sank die Zahl der Hüftprothesenimplantationen bei Arthrose auffälligerweise im selben Zeitraum um 21 Prozent. „Das hat vermutlich auch mit den geänderten Regelungen zur Freihaltung zu tun, die in der zweiten Pandemiewelle wesentlich differenzierter ausgestaltet werden“, interpretiert Geschäftsführer des WIdO, Jürgen Klauber, die vorliegenden Zahlen.
Starker Einbruch bei Notfallbehandlungen
Anlass zur Sorge geben aber Rückgänge bei Notfallbehandlungen, etwa was Herzinfarkte und Schlaganfälle anbelangt – aber auch bei Krebs-Operationen, was in Zusammenhang mit der Pandemie stehe. Im Zeitraum von Oktober 2020 bis Januar 2021 zeigte sich dadurch eine um 13 Prozent geringere Zahl an Behandlungen allein bei Herzinfarkten. Ähnlich sieht es bei Schlaganfällen aus, wobei hier 11 Prozent weniger Betroffene im Vergleich zum Vorjahr behandelt wurden: „Diese erneuten Einbrüche sind Anlass zur Sorge – zumal wir in einer früheren Auswertung für den Qualitätsmonitor 2020 in der ersten Pandemiewelle bereits eine signifikante Steigerung der Sterblichkeit bei den Schlaganfall-Patienten festgestellt haben“, meint dazu Klauber. „Wiederholt haben Ärzte aus den Krankenhäusern darauf hingewiesen, dass Herzinfarkt-Patienten gehäuft verspätet und mit fortgeschrittener Schädigung des Herzens im Krankenhaus angekommen sind. Wir können angesichts der Zahlen nur den Appell an die Bevölkerung erneuern, bei Notfallsymptomen auch unter den Bedingungen der Pandemie nicht zu zögern, den Notruf zu wählen“.
Ambulante Diagnostik verringert sich
Genauso betroffen von einem Rückgang sind Krebserkrankungen, wie Brust- und Darmkrebs. Bei der operativen Entfernung der beiden Krebsarten zeigte sich schon in der ersten Pandemiewelle eine Verringerung von 10 bzw. 17 Prozent. Durch die Wiederaufnahme des Mammografie-Screenings haben sich jedoch die Fallzahlen bei Brustkrebs-OPs weniger stark verringert (minus fünf Prozent) verglichen mit Darmkrebs-OPs, die um ein Fünftel zurückgingen. „Hier gab es offenbar auch in der zweiten Pandemiewelle eine deutlich reduzierte ambulante Diagnostik“, meint Klauber. „Inwieweit bei den Koloskopien (Darmspiegelungen) Patienten mit Beschwerden bzw. bei der Früherkennung gezögert haben oder ob das Leistungsangebot aus Kapazitätsgründen reduziert wurde, können wir auf Basis der vorliegenden Daten allerdings nicht beantworten.“
Männer bei Covid-19 von stärkerem Verlauf betroffen
Bei der Analyse der Zahlen fanden sich aber noch weitere Auffälligkeiten: Das männliche Geschlecht scheint stärker unter dem SARS-CoV-2-Virus zu leiden, da etwa 66 Prozent künstlich beatmet werden müssen. Bei Frauen ist es nur etwa ein Drittel der Betroffenen. Dabei steigt die Beatmungsquote mit dem Alter mehr und mehr an, wie die Fallzahlen nun zeigen. „Allerdings sehen wir auch viele schwere Krankheitsverläufe bei Jüngeren“, warnt Klauber. Von den behandelten Covid-19-Patienten war ein Drittel jünger als 60 Jahre, ein Viertel davon musste künstliche Beatmung in Anspruch nehmen. „Die Zahlen verdeutlichen, dass sich die Intensivstationen angesichts steigender Infektionszahlen schnell mit Menschen mittleren Alters füllen können, die noch nicht geimpft sind“, nimmt Klauber daher an. Erste Berichte der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin bestätigen diese Entwicklung bereits.
Kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken
Natürlich geben die vorliegenden Erkenntnisse Grund zur Sorge – es gibt aber auch positive Aspekte hinsichtlich der Behandlung von Covid-19: „Eine gute Nachricht ist, dass wir gegen Ende dieses Auswertungszeitraums eine niedrigere Beatmungsquote und ein niedrigeres Sterberisiko der Patienten ohne Beatmung sehen. Das hat vermutlich mit der Verbesserung der medikamentösen Therapie zu tun“, bestätigt Klauber. Zudem scheint die besser werdende Ausbildung in größeren Krankenhäusern ihren Beitrag zu leisten: „Bei der Schwere des Krankheitsbildes Covid-19, das unterschiedliche Organe betreffen kann und häufig eine Beatmung erfordert, sollten möglichst direkt besonders geeignete Krankenhäuser mit erfahrenen Behandlungsteams angesteuert werden“, empfiehlt Klauber weiter, um tödliche Verläufe bestmöglich zu verhindern.
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