Vor ein paar Wochen ist die Impfkampagne gegen das Coronavirus auch hier in Deutschland gestartet. Mittlerweile ist jedoch bekannt, dass sich Mutationen des SARS-CoV-2-Virus auch hierzulande eingeschlichen haben. Nun ist die Frage, inwiefern die Impfstoffe die neuen Varianten des Virus abwehren können. Müssen sich Forschende möglicherweise jetzt schon mit der Entwicklung neuer oder angepasster Vakzine beschäftigen? Und wenn ja, wie lang sind die bisherigen Impfstoffe noch wirksam?
Wirksamkeitsspanne der Impfstoffe
Die Schutzwirkung der Impfstoffe gegen Covid-19 ist davon abhängig, wie viele neue Varianten des Virus sich entwickeln. Diese können sich nämlich gegebenenfalls der durch die Impfung ausgelösten Immunreaktion entziehen, weswegen der Impfschutz nicht garantiert wäre. In einer aktuellen Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die im Fachmagazin „Virus Evolution“ veröffentlicht wurde, befassten sich Forschende mit der Evolution der Coronaviren sowie der Dauer des Impfschutzes. Dabei verglichen sie gängige Coronaviren mit Influenzaviren, denn: Grippe-Impfstoffe müssen aufgrund der stetigen Veränderungen der Viren tatsächlich jährlich angepasst werden. Nun erwarten Forschende dasselbe für die Vakzine gegen SARS-CoV-2. Hier besteht allerdings die Hoffnung, dass die Forschung so weit voranschreitet, dass die Zeitspanne zwischen den einzelnen Impfungen verlängert werden kann.
Jährliche Anpassung von Grippe-Impfstoffen
Den Experten zufolge sei während jeder neuen Grippewelle eine aufwendige Anpassung des Impfstoffes vonnöten. „Influenzaviren sind Meister darin, sich der Immunreaktion des Menschen zu entziehen: Sie verändern sich so schnell, dass die Antikörper, die das Immunsystem nach einer früheren Infektion oder Impfung hergestellt hat, sie nicht mehr gut erkennen können“, erklären sie. Dasselbe könne nun für die neuartigen Mutationen des Virus SARS-CoV-2 gelten. Bei der sogenannten südafrikanischen Mutante ist dies der Fall: Sie kann die Immunreaktion nach einer Impfung teilweise umgehen. Deshalb würden erste Impfstoff-Hersteller bereits angepasste Versionen entwickeln. In der Studie liegt der Fokus demnach auf der Untersuchung der möglichen „Flucht“ der Viren.
Vergleich von Corona- mit Influenzaviren
Dafür verglichen die Forschenden die Entwicklung von zwei bekannten, eher harmlosen Corona-Varianten (229E und OC43) mit der Evolution eines bestimmten Influenzavirusstamms (H3N2). Hierbei untersuchte das Forschungsteam die Veränderungen innerhalb der letzten 40 Jahre von den beiden Coronavirusstämmen. Dazu entwickelte es Stammbäume der jeweiligen Viren. In diesen wurden jegliche Mutationen des Virus inkludiert. Dasselbe Verfahren wurde bei dem Influenzavirus H3N2, der sich besonders leicht der menschlichen Immunreaktion entzieht, angewendet. Während sie die Stammbäume verglichen, fiel den Forschenden besonders die ausgeprägte Treppenform dieser auf. „Ein solch asymmetrischer Stammbaum bedeutet, dass eine zirkulierende Viruslinie regelmäßig durch eine andere ersetzt wird, weil diese einen Überlebensvorteil hat“, erläutert die Erstautorin der Studie Wendy K. Jò. Dies sei ein Hinweis auf einen sogenannte Antigen-Drift. Dabei handelt es sich um kontinuierliche Veränderungen der Oberflächenstrukturen, anhand derer die Viren sich der Immunantwort entziehen. „Allerdings muss man sich zusätzlich die Geschwindigkeit anschauen, mit der diese Evolution vonstattengeht“, so die Virologin.
Influenzaviren sind schneller in der Veränderung
Bei der Untersuchung der Evolutionsraten der verschiedenen Viren wurde deutlich, dass sich in der Influenza-Sequenz jährlich weitaus mehr Mutationen anhäufen. Während es bei den Coronaviren nur etwa sechs Mutationen pro 10.000 Erbgut-Bausteinen waren, belief sich die Zahl bei den Influenzaviren auf circa 25 neue Varianten. Das bedeutet, dass sich die Coronaviren um ein Vierfaches langsamer verändern als die Grippeviren. Laut Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, sei dies ein gutes Zeichen.
Hohes Infektionsgeschehen heißt mehr Mutationen
Aktuell liege die Evolutionsgeschwindigkeit von SARS-CoV-2 mit geschätzt rund zehn Mutationen pro 10.000 Erbgut-Bausteinen im Jahr noch deutlich höher als bei den untersuchten Coronaviren. Mitschuld daran trage die Verbreitung vieler verschiedener Varianten des Virus weltweit, so Studienleiter Prof. Dr. Felix Drexler. Der Hauptgrund sei demnach noch immer das hohe Infektionsgeschehen während der Pandemie. „Wo es viele Infektionen gibt, kann sich ein Virus auch schneller weiterentwickeln.“, erklärt Drexler. Basierend auf den Untersuchungen der harmlosen Erkältungscoronaviren gehen Experten jedoch davon aus, dass sich auch SARS-CoV-2 langsamer verändern wird, sobald die hohen Infektionsraten vermindert werden. Dies würde erst dann eintreffen, wenn die Mehrheit der Weltbevölkerung entweder durch eine Impfung oder durch die Erkrankung selbst über einen Immunschutz verfügt.
Impfstoffe zukünftig länger anwendbar
Somit kommen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass die Covid-19-Impfungen vorerst aufgrund des aktuell noch hohen Infektionsgeschehen regelmäßig überprüft werden müssen. Gegebenenfalls sollten die Vakzine dann auch angepasst werden. Sobald es die Situation und die Infektionsraten es zulassen und die Gesamtsituation sich stabilisiert habe, seien die Impfungen zukünftig wohl länger nutzbar. Die Charité schließt mit einem zusammenfassenden Statement ab: „Während der Pandemie werden regelmäßige Impfstoff-Updates nötig sein, nach einigen Jahren ist jedoch eine längere Haltbarkeit der Impfstoffe zu erwarten“.
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