Jeder kennt das unangenehme Gefühl, wenn die Gedanken ständig um ein bestimmtes Thema kreisen. Beispielsweise die Angst, die Haustür nicht abgeschlossen zu haben – obwohl man es doch noch nie zuvor vergessen hat. Treten diese Gedanken und Ängste häufig auf und bestimmen zunehmend den Alltag, so kann es sich dabei um eine Zwangsstörung handeln. Betroffene leiden unter permanenten Zwangsgedanken und dem Wissen, diese nicht kontrollieren zu können.
Zwangsstörungen: Das hat es damit auf sich
Bei Zwangsstörungen wie zum Beispiel Angststörungen handelt es sich um sogenannte Neurosen. Dies bedeutet, dass die psychische Störung keine körperliche Ursache hat. Etwa zwei bis drei Prozent aller Erwachsenen in Deutschland leiden unter unter einer Zwangsstörung. Sie können eigenständig auftreten oder auch eine Begleiterscheinung anderer psychischer Krankheiten sein. Diagnostiziert werden kann eine derartige Erkrankung durch die Feststellung, dass täglich und über einen längeren Zeitraum an bestimmten Gedanken gelitten wird, welche die Lebensqualität einschränken. Dabei lösen sie wiederholt Ängste, Panik und innere Anspannung aus. Werden die Gedanken beiseite geschoben oder die Handlungen nicht durchgeführt, so entsteht psychischer Stress: je mehr man dagegen ankämpft, umso stärker wird meist das psychische Leiden. Obwohl der Betroffene weiß, dass die Befürchtungen und Vorstellungen irrational sind, ist dieser nicht in der Lage sie selbst abzustellen. In den meisten Fällen sind Patienten sowohl von Zwangsgedanken als auch von Zwangshandlungen betroffen.
Zwangsgedanken vs. Zwangshandlungen
Bei Zwangsgedanken handelt es sich um wiederkehrende Gedankenkreise, welche sich ständig in den Vordergrund drängen. Es kommt dabei oft zu Vorstellungen, die Ängste oder Ekel hervorrufen. Beispiele sind die Angst vor Bakterien oder Schmutz sein oder auch abnormale Gedanken, bei denen sich der Betroffene schlecht fühlt bzw. schämt. Es gibt viele Gründe, warum Zwangsgedanken entstehen. Wie „normale“ Gedanken sind Zwangsgedanken erstmal nur Gedanken ohne Wertung. Jedoch lösen diese durch die meist beängstigenden oder aggressiven Inhalte ein intensives unangenehmes Gefühl bei den Betroffenen aus. Die Gedanken rufen eine Art von Befürchtung hervor, dass der Gedanke zu einem negativen Ereignis führen könnte und das Gefühl des Kontrollverlusts macht sich breit. Dies kann zu sozialer Isolation oder Zwangshandlungen führen.
Zwangshandlungen sind Aktionen, die ständig wiederholt werden müssen. Betroffene haben dadurch ein Gefühl von Sicherheit, als könnten sie die Angst dadurch vermeiden und verspüren dementsprechend einen starken Drang sie auszuführen. So kann die Angst vor Schmutz oder Krankheitserregern beispielsweise zu exzessivem Putzen und Waschen führen. Ebenso kann die Angst vor Chaos bzw. Kontrollverlust dazu führen Gegenstände auf eine bestimmte Art sortieren zu wollen. Äußern kann sich eine Zwangshandlung auch durch Kontrollzwang: Hat man ständig Angst davor, etwas Schlimmes zu verursachen, wie etwa einen Brand oder Einbruch, werden Herd und Haustür wiederholt kontrolliert. Selbst nach genauester Kontrolle lässt die Anspannung und Angst allerdings nicht nach. Es kann dadurch sogar zu körperlichen Stress-Symptomen wie Schweißausbrüchen und Herzrasen kommen. Wie Kontrollzwang fallen Reinlichkeitszwang, Ordnungszwang, Zählzwang oder verbale Zwänge, bei denen bestimmte Worte immer wieder gesagt werden müssen, unter den Überbegriff der Zwangshandlungen.
So entsteht die Erkrankung
Warum Zwangsstörungen entstehen, ist sehr unterschiedlich und bis heute nicht vollständig geklärt. Als Ursache wird jedoch ein Zusammenspiel von psychischen, genetischen und äußeren Faktoren vermutet. Ein gestörter Serotoninhaushalt kann die Entstehung der psychischen Störung begünstigen. Serotonin, auch als Glückshormon bezeichnet, ist ein Neurotransmitter, welcher Angstzuständen und depressiven Verstimmungen entgegenwirken kann. Leidet man also unter einem Serotoninmangel, so steigt die Wahrscheinlichkeit an Angststörungen oder Ähnlichem zu erkranken. Ebenfalls kann eine Krankheit oder ein traumatisches Erlebnis die Zwänge auslösen. Einerseits spielt uns das Gehirn einen Trick, um von den Schmerzen abzulenken und vor neuen zu schützen, andererseits ist es nur eine Illusion, die Zwänge würden vor einem erneuten Vorkommen des Erlebnisses bewahren.
Gibt es einen Ausweg?
Wird eine Zwangsstörung erkannt, sollte unbedingt eine psychotherapeutische Behandlung in Erwägung gezogen werden. Meist wird die Therapie durch eine medikamentöse Behandlung ergänzt. Diese sollen den Botenstoff Serotonin stärken. Die sogenannten Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer werden zumeist bei Depressionen verordnet, helfen aber auch zwanghafte Gedanken besser unter Kontrolle zu bekommen. Die alleinige Therapie mit Medikamenten reicht allerdings meist nicht aus.
Als wirksamste Therapieform hat sich die kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlung erwiesen. Hierbei muss sich der Betroffene den zwangsauslösenden Situationen und Reizen unter professioneller Anleitung stellen. Unter der Aufsicht eines Therapeuten wird der Umgang mit den aufkommenden Ängsten und Gefühlen trainiert. Sieht der Patient einmal, dass die Angst und Anspannung nach einer gewissen Zeit abklingen, kann ihm dies ein Gefühl von Sicherheit vermitteln. Ist der Patient schließlich bereit sich seinen Ängsten zu stellen, kann die Kraft aus den Zwangshandlungen genommen werden. Es wird erkannt, dass nichts Schlimmes passieren kann.
Allgemein ist es wichtig zu lernen, welche Bewertung den Gedanken gegeben wird. Gedanken alleine sind nicht gefährlich und können sich wieder auflösen. Man kann sich Gedanken wie Vögel am Himmel vorstellen: Sie ziehen vorbei, hinterlassen aber keine Spuren. Meditation kann dabei helfen, eine gewisse Distanz zu den eigenen Gedanken herzustellen. Durch die Meditationsübungen des Gedankenbeobachtens können Gedanken objektiv wahrgenommen und auch wieder losgelassen werden.
Eine Zwangsstörung kann sich also in den verschiedensten Formen äußern. Für Betroffene scheint der Weg der Heilung oft schwer und lang. Mit Hilfe einer Psychotherapie kann aber ein passender Weg, individuell auf den Betroffenen abgestimmt, gefunden werden, um den Zwängen die Kraft zu nehmen.
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