Die Dosis macht das Gift. Dieser Leitspruch gilt auch für Vitamine und Nährstoffe, die wir eigentlich brauchen und die für uns lebenswichtig sind. Denn ein Zuviel davon kann dem Körper schaden. Ein deutsches Forschungsteam fand heraus, dass sich viele im Handel erhältliche Nahrungsergänzungsmittel nicht an empfohlene Höchstwerte halten – Die gute Absicht verwandelt sich dadurch oft in eine zusätzliche Belastung für den Körper.
Vertrauen ist gut, Kontrolle besser
Da Nahrungsergänzungsmittel (NEM) nicht als Arzneimittel gelten, sind die Kontrollen nicht so streng. Derzeit gibt es etwa keine EU-weite gesetzliche Regulation für Höchstwerte. Hersteller könnten also theoretisch beliebige Dosierungen verwenden. 2018 veröffentlichte das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zwar Höchstmengenvorschläge für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln zur Orientierung, diese werden aber nicht überprüft.
Eine aktuelle Studie der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und der HAW Hamburg untersuchte, inwieweit sich die Hersteller tatsächlich an die Richtlinien halten.
Jedes zweite Präparat überdosiert
106 frei verkäufliche (also weder apotheken- noch verschreibungspflichtige) Nahrungsergänzungsmittel aus Drogerie, Supermarkt und Reformhaus waren auf dem Prüfstand. Die Forschenden verglichen dabei vor allem die Dosierung der Mikronährstoffe (laut Packungsangabe) mit den Vorschlägen des BfR. Das Ergebnis: Nur 48 Prozent der überprüften Nahrungsergänzungsmittel hielten sich an die empfohlenen Höchstmengen. Knapp mehr als die Hälfte der Mittel überschritten die Höchstmengen bei mindestens einem Mikronährstoff. Als besonders hochdosiert erwiesen sich Multivitamin- und Multinährstoffpräparate. Hier kam es bei 80 Prozent zu Überschreitungen der Höchstmenge. Je nach Mikronährstoff unterschieden sich die Abweichungen dabei deutlich: von 20 Prozent bei Kalium bis zu 700 Prozent bei Vitamin B12.
Wenn die Gewohnheit zur Falle wird
In herkömmlichen Lebensmitteln sind Überdosierungen von Vitaminen oder Nährstoffen kaum möglich. Dies liegt auch daran, dass bei gesunder Ernährung die Nährstoffe ideal kombiniert sind und sich gegenseitig begünstigen. Bei Präparaten hingegen ist der Wirkstoff isoliert vorhanden. Durch die hohe Konzentration kann es leichter zur Überdosierung kommen.
Das Forschungsteam plädiert daher für eine einheitliche Höchstgrenze – auch angesichts der Tatsache, dass 31 Prozent der Frauen und 24 Prozent der Männer in Deutschland regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Denn besonders die Einnahme aus Gewohnheit kann schnell zur Falle werden.
Diese Präparate können gefährlich werden
Bei Vitaminen gilt nicht „je mehr desto besser“. Aber ob sich eine zu hohe Menge an Nährstoffen ungünstig auf den Körper auswirkt, ist auch von den Lebensumständen abhängig.
Bei Rauchern zum Beispiel könnte ein Zuviel an Beta Carotin das bestehende Risiko für Lungenkrebs zusätzlich erhöhen. Vorsicht – auch viele Erfrischungsgetränke sind mit Beta Carotin angereichert oder Lebensmittel damit gefärbt (E160). Hoch dosierte Antioxidantien schaden ebenfalls mehr, als sie nutzen. Zu viel Vitamin E wird mit erhöhtem Krebsrisiko verbunden, Vitamin D kann in erhöhtem Maß zu Nierenversagen führen. Selen bringt überdosiert Seh- und Gedächtnisstörungen mit sich.
Nimmt man zu viele Präparate einzelner Nährstoffe ein, kann dies außerdem die Aufnahme anderer Nährstoffe behindern, z.B. Zink und Eisen oder auch fettlösliche Vitamine (D, E, K).
Ergänzung sollte Ergänzung bleiben
Auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben die meisten Nahrungsergänzungsmittel keinen Einfluss, ebenso wenig verbessern sie die Gehirngesundheit. Experten raten daher dazu, nicht „präventiv“ irgendwelche Nahrungsergänzungsmittel zu nehmen, sondern genau zu schauen, was die einzelnen Präparate bewirken und welche individuell überhaupt erforderlich sind. Viele Nahrungsergänzungsmittel (etwa Probiotika) sollen die Selbstregulation des Körpers anregen. Wenn sich der Organismus wieder alleine im Gleichgewicht halten kann, sind sie oft nicht mehr notwendig. Eine dauerhafte Einnahme ist also – bei gesunden Menschen – eher selten vorgesehen. Davon ausgenommen sind aber chronisch Kranke, Hochleistungssportler, sich vegan Ernährende oder auch Schwangere. Dann können Präparate durchaus sinnvoll sein.
Was meinen Sie?