Bei einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) handelt es sich um eine Entwicklungsstörung des Gehirns, die sich unterschiedlich im Verhalten der Betroffenen bemerkbar macht. Häufig treten bei Kindern mit ASS Probleme in der Sprachentwicklung auf – die genauen neuronalen Ursachen dahinter sind noch unzureichend erforscht. Eine Studie, die gemeinsam von russischen und amerikanischen Forschern veröffentlicht wurde, lieferte kürzlich nun aufschlussreiche neue Erkenntnisse.
Verhaltensmuster im Spektrum
Bemerkbar macht sich eine Autismus-Spektrum-Störung hauptsächlich durch Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion mit Anderen und anhand von Kommunikationsproblemen. Auch stereotypische Verhaltensmuster, wie sogenanntes „Stimming“, lassen sich häufig identifizieren. Dabei wiederholen Betroffene bestimmte Bewegungsabläufe mehrmals hintereinander, um sich durch den Reiz zu beruhigen. Kinder mit ASS haben manchmal auch Schwierigkeiten, ihre sprachlichen Fähigkeiten auszubauen. Die Probleme liegen dabei innerhalb eines Spektrums – sie reichen von milden Sprachstörungen bis hin zu einem kompletten Unvermögen verbal zu kommunizieren. Die zugrundeliegenden biologischen Mechanismen sind bis heute noch nicht vollständig verstanden. Vorhandene Daten zu diesem Thema sind lückenhaft und lassen kaum Schlüsse zu. Daher haben sich die Wissenschaftler aus Moskau und Seattle mit den strukturellen Unterschieden im Gehirn der betroffenen Kinder beschäftigt.
Strukturelle Unterschiede im Gehirn
Mithilfe einer Magnet-Resonanz-Tomographie (MRT) verglichen die Forscher Struktur und Größe der Gehirne von Kindern mit ASS und ohne. Durch ein MRT lassen sich anatomische Unterschiede im Gehirn sichtbar machen: das Volumen sowie die Dichte der weißen und grauen Materie, als auch die Tiefe der Windungen im Großhirn. Die graue Materie besteht dabei aus den Nervenzellen selbst, während die weiße Materie aus Axon-Bündeln besteht – verbunden sind die Beiden über Myelin-Scheiden, welche die Reizweiterleitung erleichtern.
Insgesamt wurden 36 Kinder im Schulalter untersucht: 18 davon hatten eine diagnostizierte Autismus-Spektrum-Störung, während die anderen 18 keine Entwicklungsstörung zeigten. Die Ergebnisse des bildgebenden Verfahrens setzte das Team anschließend in Kontext mit den Einschränkungen in der Sprachentwicklung – diese wurden anhand von Verhaltenstests ermittelt.
Sprachstörungen durch Unterschiede in Zellentwicklung
Beim Vergleich der MRT-Daten fanden die Forscher keine signifikanten Unterschiede im Volumen der weißen Materie. Allerdinges weisen Kinder mit ASS eine deutlich niedrigere Dichte an grauer Materie und tiefere Windungen im Kortex des Großhirns auf. Nach weiterer Analyse ließ sich ein Zusammenhang, zwischen der Fähigkeit der Kinder zu kommunizieren und der Dichte der grauen Materie herstellen. Auch die Tiefe der Windungen im Großhirn hat einen nachweislichen Einfluss auf die Sprachentwicklung – besonders im Bereich des Frontal- und Temporallappens. Aus diesen Unterschieden schließen die Forscher, dass nicht fehlerhafte Verbindungen der Nervenzellen für die Sprachstörungen verantwortlich sind, sondern der Mechanismus, der hinter dem Wachstum der Zellen steht. Dieser scheint sich von dem der neurotypischen Kindern zu unterscheiden. Darüber hinaus sind bekannte Züge der Autismus-Spektrum-Störung stärker vorhanden, je tiefer die Windungen des Großhirns sind.
Forschung an Jugendlichen unterrepräsentiert
Eine der Autorinnen der Studie, Alina Minnigulova, ist der Meinung, dass es noch weiterer Forschung an Schulkindern mit ASS bedarf. An Kleinkindern und Vorschülern hätte man bereits genügend Untersuchungen durchgeführt und die Entwicklungsstörung wäre in einem ausreichenden Maß beschrieben. Doch ältere Kinder und Jugendliche seien in den vorhandenen Studien stark unterrepräsentiert.
Auch die Annahme, dass sich frühe Unterschiede im Gehirn von Betroffenen im Alter zwischen sieben und zehn Jahren normalisieren, widerlegt die neue Studie. Deshalb argumentiert das Forschungsteam, dass es sinnvoll sei, die biologischen Unterschiede der Neuronen von autistischen Kindern zu identifizieren. Damit lassen sich spezialisierte Lernprogramme erstellen, die den Betroffenen das Erlernen von Sprache deutlich erleichtern könnten.
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