Ungefähr 90 Prozent der Einwohner Deutschlands tragen das Epstein-Barr-Virus (EBV) in sich, welches zur Gruppe der Herpesviren zählt. In den meisten Fällen verläuft eine Infektion unauffällig, nur selten kommt es zum sogenannten Pfeifferschen Drüsenfieber. Bricht die Krankheit aus, steigt infolge das Risiko für Multiple Sklerose sowie bestimmte Krebserkrankungen. In einer neuen Studie hat man das Virus nun genauer unter die Lupe genommen und dabei ein Protein entdeckt, das die Entstehung von Krebs begünstigt.
Brüche im Chromosom verursachen Krebs
Veröffentlicht im Fachjournal Nature, beschreibt die neue Studie den Zusammenhang zwischen einer Infektion mit dem Herpesvirus und der Entwicklung von Krebs. Die Forschenden versuchten zu verstehen, wie das virale Protein EBNA1 an die DNA des Menschen bindet. Um die molekularen Ursachen zu entschlüsseln, war eine Gen-Analyse menschlicher Zellkulturen notwendig.
Das Ergebnis: Im 11. Chromosom befinden sich vermehrt Gen-Sequenzen, die denen des Virus ähnlich sind. Der Erreger kann sich somit unbemerkt in unsere DNA einschleichen und so über Jahre hinweg latent im Körper verbleiben. Für den Menschen bleibt das aber nicht ohne Folgen: Bindet EBNA1 an die DNA, führt dies zu Veränderungen im Erbgut sowie Brüchen im Chromosom 11. Laut dem Forschungsteam begünstigen diese durch unterschiedliche Zellveränderungen anschließend die Entstehung von Krebs. In verschiedenen Versuchen gelang den Wissenschaftlern erstmals der experimentelle Nachweis, dass das Protein EBNA1 für die Brüche verantwortlich ist.
Erkenntnisse liefern Behandlungsmöglichkeiten
Schädigungen der DNA, die auf diese Art entstehen, lassen Zellen nachweislich entarten und fördern die Entstehung von Karzinomen. Krebspatienten, bei denen sich eine latente EBV-Infektion nachweisen lässt, zeigen signifikant häufiger Anomalien im Chromosom 11. Jedes Mal wenn das Virus im Körper „aufwacht“, um sich weiter zu verbreiten, beschädigen seine Proteine das Erbgut etwas mehr und das Tumorrisiko steigt an. Laut den Forschern könnte die neue Erkenntnis eine Möglichkeit zur Früherkennung von Krebs liefern.
In Zukunft soll eine Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus durch gezielte Untersuchungen erkannt werden, und weitere Erkrankungen frühzeitig identifiziert werden. Zusätzlich sei es denkbar, Methoden zu entwickeln, die den Ausbruch der Krankheiten im Zusammenhang mit dem Herpesvirus verhindern. Nur eine von vielen Möglichkeiten wäre beispielsweise, das Protein EBNA1 an der Bindung an die DNA zu hindern.
Impfstoff aus Deutschland
Auch in Deutschland wird vielerorts an EBV und seiner Auswirkung auf die Entstehung von Folgeerkrankungen geforscht. Unter anderem auch an der Entwicklung eines Impfstoffs. Dieser basiert auf sogenannten VLPs – virusähnlichen Partikeln, abgeleitet von den Herpesviren selbst. Den Forschern zufolge handelt es sich um einen Multi-Antigen-Impfstoff. Das bedeutet, dass die molekulare Struktur des Erregers nachgeahmt wird und mehr als 50 virale Antigene in ihrer ursprünglichen Zusammensetzung enthalten sind. In Untersuchungen an Tiermodellen konnte bereits eine Induktion einer breiten Immunantwort nachgewiesen werden. Ziel ist es, die Entwicklung des Pfeifferschen Drüsenfiebers zu verhindern und damit auch die Entstehung von Folgeerkrankungen. Schon für das Jahr 2024 ist eine Studie an Menschen in Planung – diese könnte bei positiven Ergebnissen schon bald eine Zulassung des Impfstoffs für die Allgemeinheit erzielen.
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