Starker und häufiger Lärm scheint das Gehirn langfristig zu verändern. Diese Veränderungen können Mitursache von den in der Bevölkerung weit verbreiteten Hörschäden wie Schwerhörigkeit und Tinnitus sein.
Langfristige Gehirnänderungen durch Lärm
Beinahe 20 Prozent der deutschen Bevölkerung leiden an einer Einschränkung beim Hören. Dass Haarsinneszellen in der Hörschnecke durch Lärm geschädigt werden und somit Hörschäden entstehen können, ist bereits bewiesen. Nun wurde herausgefunden, dass Veränderungen im Gehirn, die entstehen können, wenn das Ohr häufig starkem Lärm ausgesetzt ist, Mitursache von Hörschäden sein können. Forschende aus Göttingen, Magdeburg und Erlangen haben in einer aktuellen Studie untersucht, inwiefern Lärmbelästigungen Auswirkungen auf die Gehirnstruktur haben. Die Studie zeigt, wie eine akute hochgradige Lärmbelästigung zu langfristigen Änderungen im Gehirn von Mäusen führt. Dieser neu entdeckte Mechanismus ist eine mögliche neurologische Ursache von Schwerhörigkeit oder Tinnitus. „Wenn wir die Ursachen lärmbedingter Hörschäden besser verstehen und behandeln können, wäre dies für unser Gesundheitssystem von immenser Bedeutung“, so Dr. Marcus Jeschke von der Universität Göttingen.
Lärm verändert nicht nur Nervenzellen
Dass starker Lärm Haarsinneszellen in der Hörschnecke schädigt und somit zu Hörschäden führt, ist bekannt. Die Forschungsarbeit aus Göttingen legt nun erstmals nahe, dass nicht nur die geschädigten Haarsinneszellen im Innenohr für weit verbreite Hörschäden verantwortlich sind, sondern auch neurologische Prozesse einen Einfluss auf das Hörvermögen haben können. Im Tiermodell zeigen die Wissenschaftler erstmals, was im Gehirn von Wüstenrennmäusen nach Beschallung mit einem lauten Ton über eine Zeitspanne von etwas über einer Stunde passiert. Die Forschenden dokumentieren dabei die Aktivität von vielen tausend Nervenzellen in der Hörrinde. Die Hörrinde ist maßgeblich an der Verarbeitung akustischer Signale beteiligt und so grundlegend für die auditive Wahrnehmung. Laut der Studie verursacht der Lärm eine lokale Schädigung der Haarsinneszellen, die die auditiven Informationen an die Nervenzellen weiterleiten. Infolge kommt es zu einer reduzierten Verarbeitung von Tönen in der zentralen Hörrinde. Die Nervenzellen wurden durch den Lärm zwar nicht direkt geschädigt, aber sie wiesen eine gesteigerte unkoordinierte Aktivität auf. Diese war auch noch Wochen nach Auftreten des Lärms messbar.
Neurologische Ursachen von Hörschäden
Die Arbeitsgruppe fand heraus, dass die Aktivität von Nervenzellen in der Hörrinde von Wüstenrennmäusen nach akuter Lärmbelästigung stark eingeschränkt ist. Wochen nach dem ausgesetzten Lärm zeigten die Mäuse jedoch eine deutlich erhöhte Aktivität dieser Nervenzellen. Die Forschenden interpretieren dies als einen Kompensationsmechanismus des Gehirns als Reaktion auf den Lärm. Dieser Mechanismus könnte der Schlüssel zur Entstehung von Hörschäden oder Tinnitus sein. Die Forschenden sehen in diesem Prozess eine Kompensation der Verarbeitung der Tonfrequenzen, welche durch das Schalltrauma geschädigt wurden. Einige Nervenschaltkreise in der Hörrinde waren dauerhaft verändert. „Wie genau solche Änderungen zur Pathophysiologie des lärminduzierten Hörverlustes oder womöglich zu Phantomgeräuschen, also Tinnitus, führen, ist Gegenstand aktueller Forschung“, fasst Professor Frank Ohl abschließend zusammen.
Mehr über Tinnitus erzählt Ihnen Dr. Weigl:
Marlon Weber
25.02.2021 17:19Ich selber höre gerne laute Musik, aber möchte mein Gehör schonen. Dabei wusste ich nicht, dass bei erhöhter, lauter Belastung die Nervenzellen in der Hörrinde überlastet werden und somit Hörschäden entstehen können. Da ich mittlerweile Schwierigkeiten habe, manche Töne zu hören, werde ich mich um ein Hörgerät bemühen.