Warum werden manche Menschen häufig krank und andere nicht? Es liegt natürlich zum Teil am körpereigenen Immunsystem, ob wir mehr oder weniger anfällig für Viren sind. Doch Experimente am Menschen zeigen: Auch der Lebensstil und die psychische Verfassung bestimmen, wie gut wir Grippe- und Erkältungsviren abwehren.
Nicht jeder wird krank
Das britische Forschungsprojekt „Common Cold Project“ rund um den Psychologen Sheldon Cohen untersuchte, woran es liegt, dass manche Menschen Viren trotzen und andere schnell krank werden. Demnach sind Einflussfaktoren wie Rauchen, Schlafentzug und chronischer Stress kontraproduktiv, während sich die soziale Eingebundenheit und unterstützende Beziehungen positiv auf die Virenabwehr auswirken. Die Erkenntnisse der jahrelangen Untersuchungen könnten auch in der aktuellen Corona-Pandemie wertvolle Hinweise im Kampf gegen Covid-19 liefern, so Projektleiter Cohen.
Freiwillige ließen sich infizieren
In insgesamt fünf Studien ließen sich gesunde Freiwillige mit Viren „beträufeln“. Genauer mit Schnupfen- und Grippeviren, darunter auch verbreitete harmlose Coronaviren. Es folgten fünf bis sechs Tage Quarantäne, in denen die Probanden täglich untersucht bzw. befragt wurden. Virenlast und Beschwerden wurden ermittelt und so der „Krankheitsgrad“ festgelegt. Die Blutanalyse vier Wochen nach der Quarantäne ergab: Bei 70 bis 85 Prozent (je nach Virus) konnte eine Infektion nachgewiesen werden. Aber: Beschwerden bzw. Krankheitssymptome wie Halsschmerzen oder eine laufende Nase entwickelten nur 25 bis 40 Prozent. Woran lag dies?
Mit Fragebögen, Interviews und dem Einsatz von Biomarkern untersuchten die Forschenden mögliche Erklärungen dafür. Dabei wurde auf psychische, soziale und das Verhalten betreffende Umstände Rücksicht genommen.
Liebe Menschen schützen vor Erkrankung
Aus der Untersuchung geht hervor, dass Freunde und Familie tatsächlich vor Erkrankungen schützen können. Denn die soziale Integration spielt eine wichtige Rolle für unser allgemeines Wohlbefinden. Sie wird unter anderem mit niedrigerer Sterblichkeit und geringerem Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht. Je mehr soziale Rollen eine Person hat – z.B. als Elternteil, Partner oder Arbeitskollegin, desto besser: Denn wer nur eine bis drei Rollen ausfüllte, erkrankte über viermal häufiger an Erkältungen als jemand mit sechs oder mehr sozialen Rollen. Cohen erklärt das durch die emotionale Sicherheit, die wird dadurch erleben. Diese Unterstützung sei ein universaler Stresspuffer, außerdem senke sie das Level an Entzündungsmarkern.
So trotzen Sie viralen Infekten
Die Studie unterstützt unter anderem bereits Bekanntes: Ausreichender und erholsamer Schlaf sorgt dafür, dass sich eine Infektion nicht so schnell zu einer Erkrankung entwickelt. Viel körperliche Betätigung, im Idealfall an der frischen Luft, beugt ebenfalls vor.
Alkoholkonsum ist generell mit eher negativen Folgen für die Gesundheit verbunden. Gegen Viren zeigte er jedoch in geringen Mengen eine schützende Wirkung – bei moderatem Konsum entwickelten die Freiwilligen weniger oft eine Erkrankung. Vermutlich könnte Alkohol Entzündungsreaktionen mildern, so Cohen. Dies galt aber nur für Nichtraucher und nur bei mäßigem Konsum.
So spielen Sie dem Virus in die Hände
Bei Rauchern war es im Vergleich wahrscheinlicher, dass sie nach einer Vireninfektion auch Symptome entwickelten. Eine der Studien mit 228 Probanden ergab für Rauchende sogar ein dreimal höheres Risiko, sich zu erkälten. Auch bei Covid-19 gelten Raucher als Risikogruppe.
Ebenfalls wenig rosig waren die Aussichten bei Personen, die sich wenig bewegten. Sie entwickelten doppelt so oft eine Erkältung, wenn sie weniger als zweimal pro Woche Sport trieben.
Auch Schlaf spielt eine wichtige Rolle bei der Virenabwehr: Weniger als 7 Stunden pro Nacht sind mit einem knapp dreimal höheren Risiko verbunden als bei durchschnittlich 8 Stunden.
Weiters entwickeln Menschen, die ein hohes chronisches Stresslevel haben, eher Krankheiten. Schicksalsschläge können ebenso einen Einfluss auf die Gesundheit haben – je länger und härter erlebte Schicksalsschläge von Probanden waren, desto anfälliger waren sie, eine Erkältung zu entwickeln.
Projektleiter Cohen betont, dass die Ergebnisse nicht direkt auf Covid-19 übertragbar seien. Jedoch könnten sie Anhaltspunkte und Orientierung für weitere Forschung bieten – bei SARS-CoV-2 handelt es sich schließlich ebenfalls um ein Virus, das zunächst die Atemwege befällt.
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