Seit vor rund 40 Jahren das HI-Virus (Humanes Immundefizienzvirus) zum ersten Mal auftrat, wird an möglichen Impfstoffen geforscht. Bisher war der größte Erfolg eine Impfung, die zu 30 Prozent vor Infektion schützte – nicht gerade überzeugend. Doch die mRNA-Technologie, die mit den Corona-Impfstoffen ihre ersten Erfolge feiert, macht Hoffnung: Wissenschaftlern gelang es nun, einen Wirkstoff zu entwickeln, der in Tierversuchen das Infektionsrisiko um 79 Prozent senkte. Die Ergebnisse der Untersuchungen publizierten sie kürzlich im Fachjournal „Nature Medicine“.
40 Jahre Pandemie
Die Verbreitung des HI-Virus, welches unbehandelt die Krankheit AIDS (acquired immunodeficiency syndrome) auslöst, entwickelte sich Anfang der 1980er Jahre zu einer Pandemie, die Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge bisher etwa 39 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Dank neuer antiretroviraler Medikamente, die Ende der 90er Jahre auf den Markt kamen, kann der Ausbruch der Krankheit AIDS in den meisten Fällen verhindert werden. Zudem reduziert die Behandlung die Viruslast meist so stark, dass die Betroffenen nicht mehr infektiös sind. Allerdings kann eine HIV-Infektion lange unentdeckt bleiben. Eine Impfung, die die Infektion von vornherein verhindert, könnte der Ausbreitung des Virus noch besser entgegenwirken.
Schwer zu fassendes Virus
Einen wirksamen Impfstoff gegen HIV konnte bisher noch niemand entwickeln. Das liegt an dem Hüllprotein des Virus, welches hochvariabel ist. Außerdem befinden sich an der Hülle Zuckeranhänge, die wichtige Erkennungsmerkmale des Virus verdecken und so einen fast flächendeckenden Tarnmantel bilden. Das führt dazu, dass Antikörper kaum eine Chance haben. „Durch eine Impfung neutralisierende Antikörper zu erzeugen, hat sich als extrem schwierig erwiesen und selbst nach einer natürlichen Infektion bildet nur ein Bruchteil der Betroffenen solche Antikörper aus“, beschreiben Peng Zhang vom US National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) und seine Kollegen. Mit der mRNA-Technologie sieht das allerdings anders aus: Dank ihr können mehrere Gencodes für Virenproteine und Proteinteile in einem Wirkstoff vereint werden. „Unser experimenteller Impfstoff kombiniert gleich mehrere Merkmale, die die Defizite bisheriger HIV-Vakzinkandidaten ausgleichen“, erklärt Seniorautor Anthony Fauci vom NIAID, der auch als Chief Medical Advisor die US-Regierung bei der Bekämpfung der Coronapandemie berät.
Immunität in drei Akten
Der neue Impfstoff wird in zwei Dosen verabreicht. Die erste Dosis enthält die Bauanleitung des viralen Hüllproteins, allerdings ohne einige Zuckeranhänge, damit das Immunsystem die Viren besser erkennen kann. In der zweiten Dosis wird dann der Code für das vollständige Protein mehrerer HIV-1-Mutanten verabreicht. „Dies soll die B-Zell-Antwort auf gemeinsame Antikörper-Ansatzstellen dieser Varianten stärken“, erklärt das Team. Ein weiterer entscheidender Vorteil des neuen Vakzins gegenüber bisherigen Ansätzen ist, dass es den Gencode für ein zweites Virenprotein enthält. Die Kombination der beiden Proteine sorgt dafür, dass der Körper virenähnliche Partikel ausbildet. Das sind kleine Gebilde, die eine ähnliche Oberflächenstruktur wie natürliche HI-Viren aufweisen. So entwickelten Mäuse in ersten Tests bereits neutralisierende Antikörper, berichten die Forschenden. Und auch weitere Tests mit Makaken waren erfolgreich: Zwar fielen die Antikörpertiter nach den ersten beiden Impfungen schnell wieder ab, nach einer weiteren Booster-Dosis jedoch blieben sie auf einem hohen Niveau stabil.
Verbesserungen beim Impfprotokoll
Der Immunschutz, den der Impfstoff hervorruft, hat außerdem ein breites Schutzspektrum: In den Versuchen mit Makaken wirkte die Immunität gegen zwölf verschiedene Varianten des HI-Virus. „Eine solche mRNA-Plattform repräsentiert damit einen vielversprechenden Ansatz für die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Aids“, konstatiert das Forschungsteam. Trotzdem sehen die Forschenden noch Luft nach oben: Die Anzahl der nötigen Booster-Impfungen soll reduziert werden, da zu viele Dosen von Menschen nicht akzeptiert würden und in ärmeren Ländern zudem schwer umzusetzen wären. „Wir passen unser Impf-Protokoll daher an, um die Qualität und Quantität der dadurch erzeugten virenähnlichen Partikel zu erhöhen“, erklärt Studienleiter Paolo Lusso vom NIAID.
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