Seit einiger Zeit kommt es weltweit immer wieder zu Fällen von Hepatitis-Infektionen bei Kindern, die bei vielen der jungen Betroffenen schwer verlaufen. Die Ursache für die Erkrankung stellte Experten bisher vor ein Rätsel. Nun glauben Forscher aus Großbritannien dem Übeltäter auf die Spur gekommen zu sein: ein weit verbreitetes Virus, mit dem sich fast alle Menschen irgendwann infizieren. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Wissenschaftler kürzlich im renommierten Journal „Nature“.
Weltweiter Hepatitis-Ausbruch macht Wissenschaftler ratlos
Seit dem Frühjahr 2022 wurden gehäuft Hepatitis-Infektionen bei Kindern registriert, deren Ursache bislang nicht festgestellt werden konnte. Zwar ist der Ausbruch mittlerweile wieder abgeflaut, dennoch traf es bisher schätzungsweise mehr als 1.000 Kinder in 35 verschiedenen Ländern. Die meisten der jungen Patienten wurden für einige Tage im Krankenhaus behandelt. In Großbritannien, in der die genannte Studie durchgeführt wurde, waren hauptsächlich Kinder unter 5 Jahren erkrankt, von denen viele auf der Intensivstation versorgt werden mussten. 15 Kindern musste sogar die Leber transplantiert werden.
Ist dieser scheinbar harmlose Erreger der Übeltäter?
Die britischen Forscher haben dafür nun einen bestimmten Erreger im Verdacht: das Adeno-assoziierte Virus 2, kurz AAV2. Dieses fanden die Wissenschaftler in Proben von einigen Kindern, die an akuter Hepatitis ohne erklärbare Ursache erkrankt waren. Bei gesunden Kindern in der Kontrollgruppe wurde es hingegen nicht nachgewiesen.
Das Virus AAV2 ist sehr weit verbreitet: Etwa 90 Prozent aller Menschen fangen es sich im Laufe ihres Lebens ein. Bei den meisten geschieht das noch vor dem 18. Lebensjahr, sodass sie bis dahin gegen den Erreger immun geworden sind. Nach bisherigem Kenntnisstand löst AAV2 selbst keine Krankheitssymptome aus. Dafür muss sich sein Wirt zusätzlich mit einem anderen Virus anstecken, z.B. dem Herpes- oder Adenovirus. Letztere sind lösen Gastroenteritis sowie Erkältungssymptome aus.
Verdächtiges Virus in Leber von Erkrankten gefunden
Dass es eine Verbindung zwischen AAV2 und den Hepatitis-Fällen geben könnte, zeigten zwei voneinander unabhängige Studien bereits im Juli 2022. Die aktuelle Studie aus Großbritannien bezog nun mehr Probanden sowie eine Kontrollgruppe mit ein, wie in einer Pressemitteilung der University of Glasgow, einer der beteiligten Institutionen, berichtet wird. Dafür wurden Proben von insgesamt 32 erkrankten und 74 gesunden Kindern analysiert.
Das Ergebnis: Bei allen Kindern mit akuter Hepatitis kam AAV2 in der Leber vor. Auch im Blut fand sich das Virus bei einem Großteil der Probanden, während es bei den meisten gesunden Kindern nicht nachgewiesen werden konnte. Viele der kranken Kinder wiesen außerdem Antikörper in ihrem Blut auf, was darauf hindeutet, dass sie sich kürzlich mit dem Erreger angesteckt hatten. Die Befunde zeigen, dass AAV2 den mysteriösen Hepatitis-Fällen tatsächlich zugrunde liegen könnte.
Auch die Gene spielen eine Rolle
Nach Angaben der Forscher könnte AAV2 selbst der Auslöser für die Hepatitis-Erkrankungen sein – oder es weist darauf hin, dass sich ein betroffenes Kind kürzlich mit Adenoviren angesteckt hat, die die eigentliche Ursache für die Hepatitis sind.
Im Rahmen der Studie wurden auch die Gene der Probanden untersucht. Dabei kam heraus: Die erkrankten Kinder zeigen Auffälligkeiten in dem sogenannten Human Leukocyte Antigen-Gen. Möglicherweise hat dieses die Patienten besonders anfällig für die Hepatitis-Erkrankung gemacht.
Zusammengefasst deuten die Befunde auf Folgendes hin: Eine Überschneidung der Höhepunkte von AAV2- und Adenovirus-Infektionen könnte bei Kindern mit der genannten genetischen Variante zu den Hepatitis-Erkrankungen geführt haben. Die Forscher betonen jedoch auch die Notwendigkeit weiterer Forschung, um ein besseres Verständnis darüber zu erreichen, wie genau AAV2 zu Hepatitis führt.
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