Erst vor Kurzem warnte die WHO vor potenziell gefährlichen Pilz-Krankheitserregern. Dazu zählt auch der Hefepilz Cryptococcus neoformans, welcher sich insbesondere für immunschwache und ältere Personen als bedrohlich herausstellt. Einem deutschen Forschungsteam gelang es nun allerdings einen bedeutenden Mechanismus im Kampf gegen den Hefepilz aufzudecken.
Verhängnisvolle Ähnlichkeiten
Bislang stellte die Produktion wirkungsvoller Hefepilz-Medikamente Mediziner vor erhebliche Herausforderungen, da sich Hefezellen und menschliche Zellen in vielerlei Hinsicht ähneln. Dadurch besteht bei einer medikamentösen Intervention die Gefahr, neben den Hefe-Pathogenen auch gesundes humanes Zellgewebe zu attackieren. Das Forschungsteam entdeckte nun allerdings einen seltenen Angriffspunkt, der neue therapeutische Ansätze ermöglichen könnte.
Ambivalente Wirkung
Auch wenn wir es im Alltag kaum bemerken, spielen Hefepilze in vielen Lebensbereichen eine Rolle. Sie bilden unter anderem einen zentralen Bestandteil von vielen Lebensmitteln und Spirituosen und gelten darüber hinaus angesichts ihrer entzündungshemmenden antimikrobiellen Wirkung als bedeutende Arzneimittel-Substanz. Gewisse Hefe-Substanzen sind jedoch darüber hinaus dazu in der Lage im Körper verheerende Schäden hervorzurufen – so auch Cryptococcus neoformans. Dieser Pilz gedeiht zumeist in Bäumen, Erde und Vogelkot. Durch die Atmung gelangen die Krankheitserreger in den menschlichen Organismus. „Für gesunde Menschen ist das kein Problem. Hier richtet Cryptococcus keinen Schaden an“, schildert Karin Römisch, Professorin für Mikrobiologie an der Universität des Saarlandes. „Bei immungeschwächten Menschen jedoch kann Cryptococcus schwere Krankheiten auslösen, zum Beispiel eine Hirnhautentzündung“, so die Expertin.
HIV-Erkrankte besonders gefährdet
Die sogenannte Kryptokokkose äußert sich je nach Infektionsherd zumeist durch Husten, Schmerzen im Brustkorb, starken Ausschlag sowie Orientierungslosigkeit. Diese Beschwerden treten vor allem bei HIV-Erkrankten in ausgeprägter Form auf. Dies stellt ein gravierendes Problem in wärmeren Weltregionen mit hohen HIV-Raten dar, in denen keine ausreichende Gesundheitsversorgung sichergestellt werden kann.
Entscheidendes Protein eliminiert
Im Rahmen der aktuellen Studie gelang es den Experten den Cryptococcus-Erreger unschädlich zu machen, indem sie die Produktion eines entscheidenden Proteins namens Sbh1 einschränkten. Dieses Eiweiß ist Bestandteil des sogenannten sekretorischen Weges, der vom Zellinneren zur Zelloberfläche in den extrazellulären Bereich führt. In Hefepilzen werden oftmals spezielle Enzyme, Melanin-Bestandteile sowie Zuckerpolymere durch diesen Weg zur Zelloberfläche transportiert. Diese Faktoren können in weiterer Folge schwerwiegende Erkrankungen bei immunschwachen Personen auslösen.
Krankheitsauslösende Faktoren eingeschränkt
Um dies zu verhindern, modifizierten die Fachleute die genetische Zusammensetzung der Hefe, sodass die Produktion von Sbh1 unterbunden wurde. Die krankheitsauslösenden Melanin-Bestandteile, Enzyme und Zuckerpolymere konnten somit nicht in die Hefeoberfläche und das menschliche Gewebe vordringen. Darüber hinaus gelangte das Team zu einer bedeutenden Erkenntnis: „Unter Infektionsbedingungen bei 37 Grad Celsius, wie sie im menschlichen Körper herrschen, war die genetisch modifizierte Hefe ohne Sbh1 komplett harmlos“, erläutert Karin Römisch.
Vielversprechendes Experiment
Im Anschluss untersuchten die Mediziner die Auswirkungen unveränderter Hefe mit Sbh1 sowie genetisch veränderter Hefe ohne Sbh1 im Hirn- und Lungengewebe infizierter Mäuse. Das Experiment führte zu vielversprechenden Ergebnissen: Während sich die unveränderte Hefevariante zunehmend ausbreitete und den Gesundheitszustand der Versuchstiere somit rapide verschlechterte, stagnierte der modifizierte Hefetyp, sodass sämtliche Mäuse dieser Versuchsgruppe gesund blieben.
Neue Grundlage für Arzneimittelentwicklung geschaffen
Auch in medikamentöser Hinsicht könnten die gewonnenen Erkenntnisse eine zentrale Rolle spielen. Im Gegensatz zu vielen anderen Angriffspunkten weist das Protein Sbh1 in Hefezellen nämlich wesentliche Unterschiede zum menschlichen Pendant auf. Dadurch sei es möglich Schäden am humanen Zellgewebe gezielt vorzubeugen. Die Wissenschaftler hoffen, dass ihre Grundlagenforschung in Zukunft zur Entwicklung effektiver Arzneimittel gegen Kryptokokkose beitragen wird.
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