Viele Menschen, auch im vergleichsweise sicheren Deutschland, erleben im Laufe ihres Lebens traumatische Ereignisse. Dazu zählen etwa Vergewaltigungen, Unfälle oder Naturkatastrophen. Die Erinnerungen belasten einige der Betroffenen so sehr, dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen können – dann spricht man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Was hilft gegen die psychischen Folgen des Traumas? Eine Studie aus den USA demonstrierte kürzlich das große Potenzial einer ungewöhnlichen Behandlungsmöglichkeit: Der Droge Ecstasy.
Drogen gegen psychische Probleme?
Ecstasy wird auch als MDMA bezeichnet und wurde bereits in vorherigen Studien im Zusammenhang mit Traumafolgestörungen untersucht. Die neuesten Erkenntnisse von Wissenschaftlern der University of California in San Francisco könnten nun den Weg für eine Zulassung der Droge als Medikament ebnen. Für die Studie, die im renommierten Journal „Nature Medicine“ erschien, wurden 104 Teilnehmer mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung (kurz PTBS) rekrutiert. Diese erhielten über viereinhalb Monate hinweg zusätzlich zu einer Psychotherapie entweder ein Placebo oder MDMA-Dosen. Nach jeder Verabreichung des Wirkstoffes wurden die Patienten durch Fachkräfte betreut.
Das Ergebnis: Rund 71 Prozent der Teilnehmer, die MDMA erhalten hatten, wiesen nach Ende der Studie keine klinisch relevanten Symptome mehr auf. Bei den Probanden mit einer Placebo-Behandlung war dies nur bei etwa 48 Prozent der Fall. Diese Zahlen sprechen dafür, dass Ecstasy zur Heilung der Psyche nach einem traumatischen Erlebnis beitragen kann. Außerdem erlitt keiner der Probanden durch die Droge schwerwiegende Nebenwirkungen.
PTBS: Wenn einen das Trauma nicht loslässt
Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann durch langanhaltende traumatische Erlebnisse entstehen, etwa durch wiederholten Missbrauch in der Kindheit. Doch auch einmalige Ereignisse wie Autounfälle oder ein gewalttätiger Übergriff belasten die Psyche mitunter so sehr, dass daraus eine Krankheit entsteht. Die Betroffenen leiden an Erinnerungen, die sich immer wieder wie aus dem Nichts aufdrängen. Häufig sind es gewisse Sinneseindrücke, etwa der Geruch von Verbranntem oder das Quietschen von Autoreifen, die die traumatischen Passagen im Gedächtnis heraufbeschwören. Die Erinnerungen sind dabei so lebendig, als würde sich das Erlebte in diesem Moment abspielen.
Aufgrund dieser Dauerbelastung sind die Traumatisierten leicht reizbar und sehr schreckhaft. Sie haben Probleme sich zu konzentrieren und schlafen unruhig. Viele Betroffene haben außerdem das Gefühl, dass man anderen Menschen nicht mehr vertrauen kann. Sie machen sich häufig selbst Vorwürfe wegen des Geschehenen und schämen sich dafür. All diese Symptome beeinträchtigen die Bewältigung des Alltags und können zu Depressionen führen. Manche Betroffene flüchten sich in die Alkohol- oder Drogenabhängigkeit, um ihren belastenden Erinnerungen zu entkommen.
So wirkt Ecstasy in der traumatisierten Psyche
Wie genau kann nun aber Ecstasy dazu beitragen, den Seelenfrieden bei Menschen mit PTBS wiederherzustellen? Schon seit langem ist die Droge dafür bekannt, dass sie Menschen empathischer und zugänglicher macht. Sie beeinflusst die Ausschüttung von verschiedenen Nervenbotenstoffen im Gehirn, die die Stimmung regulieren, darunter das „Kuschelhormon“ Oxytocin. Offenbar kann MDMA die Aktivität des Gehirns verändern, sodass es Trauma-Patienten leichter fällt, ihre Ereignisse mithilfe einer Psychotherapie aufzuarbeiten, ohne dabei Scham zu empfinden.
Ecstasy war vor allem in den 1990er Jahren als Partydroge in der Techno-Szene sehr beliebt, ist aber schon seit langer Zeit in den USA, Deutschland und vielen anderen Ländern aufgrund der potenziellen Risiken verboten. Nachdem die Studie der University of California vielversprechende Ergebnisse geliefert hat, könnte MDMA in den USA nun möglicherweise als Heilmittel für die Posttraumatische Belastungsstörung zugelassen werden. Der Antrag soll noch dieses Jahr bei der amerikanischen Arzneimittelbehörde eingereicht werden.
Eine Studienteilnehmerin berichtet
Susie Chin, eine der Teilnehmerinnen der Studie, berichtet in einer Pressemitteilung der University of California von ihren Erfahrungen. Die 63-Jährige hat Traumatisches während ihrer Kindheit erlebt und wurde außerdem vor vielen Jahren von mehreren Tätern vergewaltigt. Seitdem litt sie unter den Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Wie erlebte sie die Verabreichung von MDMA? „Ich fühlte mich nie als wäre ich auf einem „Trip“ oder als hätte ich die Kontrolle verloren.“ Stattdessen habe sie während der Sitzungen weniger Hemmungen verspürt und sei insgesamt offener und empfindsamer gewesen. „War es eine Wunderheilung und all meine Symptome sind jetzt weg? Nein“, stellt sie klar. „Aber ich fühle mich jetzt generell wohler. Ich bin weniger angespannt und ängstlich.“ Außerdem habe sie nun das Gefühl, ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen zu können.
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