Wir alle kennen es: Zum ersten Mal hören wir die Stimme eines Menschen und aus irgendeinem Grund hinterlässt diese Person durch den Klang ihrer Worte einen überaus (oder weniger) guten Eindruck. Stimmen können Eigenschaften wie Sympathie, Dominanz, Vertrauen, Ruhe – oder eben genau das Gegenteil – vermitteln. Auch bei dem Gefühl, ob wir das Gegenüber anziehend finden, kann die Stimmfarbe eine ausschlaggebende Rolle spielen. Doch können wir nun wirklich von der Stimme auf persönliche Eigenschaften einer Person schließen? Oder trügt uns dabei in Wirklichkeit bloß unsere intuitive Wahrnehmung?
Studie mit über 2.000 Personen bestätigt Zusammenhang
Ein internationales Team von Wissenschaftlern hat unter der Leitung der Universität Göttingen eine Studie zur Beantwortung dieser Frage durchgeführt. Es wurde untersucht, ob die Tonhöhe der Stimme tatsächlich Rückschlüsse auf die Charakteristika einer Person zulässt. Das Ergebnis: Es besteht wirklich ein Zusammenhang zwischen den beiden Merkmalen. Jedoch lässt dieser nur begrenzt Aussagen treffen, da der Effekt sich lediglich auf bestimmte Eigenschaften bezieht. Wie sich dies im Detail verhält, konnte anhand der Analyse der Daten von den über 2.000 Teilnehmenden der Studie ermittelt werden. Dazu wurden Befragungen durchgeführt und Aufnahmen der unterschiedlichen Stimmen erstellt. Mithilfe von technischen Programmen konnte die genaue Höhe der Töne bestimmt werden. Diese wurde dann im Zuge der Untersuchung mit den Angaben aus dem Fragebogen abgeglichen. Im Rahmen der Sprechwirkungsforschung sei dies die erste Studie, welche sich nicht bloß auf die subjektive Einteilung der Stimmlagen berufe.
Am Telefon nehmen wir Stimmen am stärksten wahr
Dass die stimmliche Wahrnehmung unser Gefühl beeinflusst, zeigt sich besonders beim Telefonieren. Tätigen wir einen Anruf, bei welchem wir kein Bild zur Person auf der anderen Leitung haben, ist der akustische Faktor der einzige uns bekannte Richtwert. Anhand diesem versuchen wir die Charakteristika des Menschen einzuschätzen: Wirkt die Person vertrauenswürdig? Hat die Stimme eher eine dominante oder unterwürfige Ausstrahlung? Ist der Gesprächspartner überhaupt an dem Dialog interessiert oder wirkt er sogar nervös? – Die Stimme gibt uns Aufschluss über jene Fragen. Oft haben wir nach einem Telefongespräch ein sehr schlechtes Gefühl, da das Gegenüber unfreundlich, unsicher oder desinteressiert gewirkt hat. Wenn uns Sympathie und Vertrauen vermittelt wurden, sind wir hingegen sehr überzeugt von der Person.
Einfluss auf bestimmte Merkmale beschränkt
Um konkrete Unterschiede in den Einflüssen der Stimme auf diverse Persönlichkeitszüge feststellen zu können, wurden die Eigenschaften der Teilnehmenden bezüglich ihrer differenzierten Aussagen im Rahmen des Fragebogens analysiert. Es zeigte sich, dass Frauen sowie Männern mit einer tieferen Stimme dominanter und extrovertierter waren, sowie eine soziosexuell offenere Einstellung besaßen – also ein größeres Interesse an Gelegenheitssex aufwiesen. In Bezug auf Umgänglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Offenheit oder Neurotizismus (Eigenschaft, welche emotionale Labilität, Schüchternheit und Gehemmtheit umfasst) konnte jedoch keine entsprechende Verbindung hergestellt werden. Ob die Stimme darauf Rückschlüsse zulässt, kann also nicht pauschal gesagt werden. „Der erste Schritt war, zu untersuchen, ob Stimmen mit der Persönlichkeit von Menschen zusammenhängen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen tatsächlich einige Aspekte ihrer Persönlichkeit mit ihrer Stimme auszudrücken scheinen“, meint Autorin Dr. Julia Stern.
Was meinen Sie?