Wir tun es rund 20.000-mal täglich. Atmen. Und dabei sind wir uns des großen Potentials meist gar nicht bewusst, das die Atmung mit sich bringt. Denn richtiges Atmen kann nicht nur Stress reduzieren, sondern mitunter sogar den Blutdruck senken. Dieser ist bereits zur Zivilisationskrankheit geworden, fast jeder dritte in Deutschland lebende Mensch ist betroffen. Aber nicht nur ältere Personen, sondern auch Kinder haben immer häufiger erhöhte Blutdruckwerte. Dabei ist die Regulation der Atmung eine einfache und effektive Methode, wie wir unsere Körperpumpe beruhigen können.
Blutdruck auf natürliche Weise senken
Die richtige Atemtechnik kann nicht nur Stress abbauen, sondern auch helfen, den Blutdruck effektiv zu senken – ganz ohne Tabletten und Medikamente. Herkömmliche Blutdrucksenker bringen oft Nebenwirkungen mit sich wie Schwindel, Benommenheit, Hautausschläge oder Magen-Darm-Beschwerden. Doch es geht auch natürlich: Vielen Menschen kann bereits eine bewusstere Atmung dabei helfen, den Bluthochdruck in den Griff zu bekommen.
Bewusstes tiefes Atmen hat zahlreiche positive Auswirkungen auf den Körper: Blockaden und Verspannungen lösen sich, die Atmung wird langsamer und gleichmäßiger. „Indem wir unsere sonst oft hektische, flache Atmung entschleunigen, senken wir unseren Blutdruck und beeinflussen die Herztätigkeit günstig“, so Thomas Loew, Professor für Psychosomatik und Psychotherapie an der Universität Regensburg. Zudem belegen Studien: Ein doppelt so langes Ausatmen wie Einatmen ist optimal für die Sauerstoffversorgung des Körpers. Wenn wir ausatmen, geben wir unserem Körper eine Pause. Er hat dann genügend Zeit, um Zellschäden zu reparieren und die Energiereserven neu aufzubauen. Denn erst in der Ausatmung kann der Sauerstoff in jeder Zelle wirken. Daher sollten wir uns diese Phase möglichst lange gönnen.
Atmen – eine alltägliche Kunst
Die alltägliche Kunst des Atmens ist bei den Menschen schon seit Jahrtausenden bekannt. Sie ist der einzige autonome Prozess im Körper, den wir zumindest bedingt willkürlich beeinflussen können. Durchschnittlich atmen wir 12 bis 20 Mal pro Minute, wobei 20 Atemzüge pro Minute meist eine recht flache Atmung ohne ausgeprägte Ein- oder Ausatmungsphasen bedeuten – auf Dauer nicht förderlich für das System Körper. Beim entschleunigten Atmen soll dieser Wert auf sechsmal pro Minute gesenkt werden: Dann atmen wir in unserer sogenannten Resonanzfrequenz. Atmung und Herzfrequenz befinden sich komplett im Einklang, dadurch erreichen wir einen Ruhezustand ähnlich wie beim Schlafen. Eine solche tiefe Atmung kann beim Stressmanagement helfen und auch die kognitive Leistung verbessern. Im Pranajama-Yoga gibt es etwa spezielle Atemrhythmen für jede Lebenssituation und jedes gesundheitliche Problem. Da diese für Ungeübte oft überfordernd sein können, kann man sich jedoch getrost auch auf einfachere Varianten fokussieren: zum Beispiel die 4711-Regel.
Mit der 4711-Regel die richtige Atmung trainieren
Die 4711-Regel ist eine Methode zum Trainieren der tiefen Atmung. So funktioniert’s: Vier Sekunden einatmen, sieben Sekunden ausatmen und das Ganze elf Minuten lang praktizieren. Der Herzschlag wird folglich ruhiger, der Blutdruck sinkt. Tägliches Training zahlt sich in jedem Fall aus. Für manche Menschen reichen hier auch schon fünf Minuten, aber grundsätzlich gilt je länger, desto besser. EEG-Untersuchen des Gehirns haben gezeigt, dass sich diese Regel für die meisten Menschen bewährt. Denn entschleunigtes Atmen setzt im Gehirn an – genauer gesagt im Parasympathikus.
Das Nervensystem beruhigen
Unser Nervensystem spielt eine wichtige Rolle bei Stress und Bluthochdruck. Die im Hirn sitzenden Regionen Sympathikus und Parasympathikus sind ebenso Teil des vegetativen Nervensystems (VNS) wie das enterische Nervensystem (ENS), auch Darmnervensystem oder „Bauchgehirn“ genannt. Das VNS steuert viele wichtige Funktionen im Körper, die unbewusst geschehen. Dazu gehören die Atmung, die Verdauung und der Stoffwechsel.
Der Parasympathikus spielt hier eine besondere Rolle, denn er ist für Ruhephasen und Entspannung verantwortlich. Er lässt das Herz langsamer schlagen, die Atmung wird ruhiger und die Verdauung wird gefördert. Sein Gegenspieler hingegen, der Sympathikus, sorgt für einen erhöhten Herzschlag, verbessert die Durchblutung der Muskulatur und fördert das Schwitzen. Er wird beim Einatmen stimuliert: Wir bekommen Energie zum „Weglaufen“ oder „Kämpfen“, sind also aktions- und leistungsbereit. Die Ausatmung regt wiederum den Parasympathikus an: Wir kommen zur Ruhe. Besonders wohltuend und anregend wirken hierbei tiefe Atemzüge an der frischen Luft im Grünen. Denn Mutter Natur entschleunigt und beruhigt am besten.
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