Polio, auch Kinderlähmung genannt, kann zu Hirnhautentzündungen und Muskellähmungen führen. Seit 2021 wird in Entwicklungsländern ein neuer Impfstoff verabreicht, um die Krankheit zu bekämpfen. Nun kam es jedoch zu Infektionen durch eine Mutante des Polio-Erregers, die aus dem Vakzin entstanden ist. Was bedeutet das für die Impfkampagne?
Weltweiter Kampf gegen Kinderlähmung
Vor 35 Jahren hat die WHO dem Polio-Erreger den Kampf angesagt. Zwei der drei Varianten des Virus-Wildtyps sind seither tatsächlich verschwunden. Nur in Pakistan, Afghanistan und Mosambik hatte es in den letzten Jahren noch Infektionen mit dem dritten Typus gegeben.
In den USA, Israel und der Ukraine wurden vor einiger Zeit ebenfalls einzelne Fälle von Kinderlähmung verzeichnet. Die Ursache: abgeschwächte Viren aus Impfstoffen, die mutiert waren. In Regionen, in denen nur wenige Menschen gegen Polio geimpft sind, können sich diese Erreger ausbreiten und verursachen Krankheitssymptome. Um dem entgegenzuwirken, wurde ein Schluckimpfstoff entwickelt, mit dem ab März 2021 eine Impfkampagne in 28 Ländern gestartet wurde. Bereits 590 Millionen Dosen wurden verabreicht.
Mutierter Polio-Erreger aus Impfstoff
Nun kam es allerdings auch zu Rückmutationen aus dem neuen oralen Impfstoff: Bei insgesamt sieben Kindern aus der Demokratischen Republik Kongo und Burundi wurde das Virus cVDPV2 festgestellt, das zu Lähmungen bei den Betroffenen geführt hat. Außerdem stellte man den Erreger in fünf Umweltproben aus Burundi fest. Es handele sich dabei um zwei voneinander unabhängige Ausbrüche. Das berichtete die „Global Polio Eradication Initiative“, die für die Bekämpfung der Kinderlähmung zuständig ist und unter anderem von der WHO und UNICEF unterstützt wird.
Experten hatten schon vermutet, dass es zu solchen Ausbrüchen durch den Schluckimpfstoff kommen könnte. Vor einiger Zeit hoffte man sogar, dass die Übertragung von abgeschwächten Impfviren auf ungeimpfte Menschen ein Vorteil sein könnte, da somit diese Personen ebenfalls eine Immunität entwickeln könnten. Jedoch besteht die Gefahr, dass die Impfviren mutieren, sodass sie wieder Polio-Symptome bei Infizierten auslösen. Im Jahr 2022 hatten sich weltweit ca. 800 Kinder mit mutierten Impfviren angesteckt und dadurch Muskellähmungen erlitten.
Ist die Impfkampagne nun gefährdet?
Walter Orenstein, Experte für Polio an der Emory University, sieht aufgrund der jüngsten Ausbrüche von mutierten Impfviren dennoch keinen Grund zur Beunruhigung. Der neue orale Impfstoff gegen Polio habe seine Schwächen, aber in Anbetracht der Seltenheit der bisherigen Ausbrüche werde er „hoffentlich seine Aufgabe erfüllen können.“ Die „Bill & Melinda Gates Foundation“, die die Impfkampagne gegen Polio ebenfalls unterstützt, zeigt sich enttäuscht über die neuesten Entwicklungen. Gleichzeitig weist sie gegenüber der Plattform „STAT“ darauf hin: Wäre die Impfkampagne mit den alten Impfstoffen durchgeführt worden, wäre es zu weitaus mehr Polio-Infektionen gekommen als nun durch den neuen Schluckimpfstoff aufgetreten sind.
Polio-Impfung auch in Deutschland wichtig
Polio ist eine sehr gefährliche Krankheit: Sie kann nicht nur Lähmungen und Hirnhautentzündungen verursachen, sondern hat womöglich auch das Post-Polio-Syndrom zur Folge, das Betroffene Jahrzehnte nach der Infektion heimsucht. In Deutschland wurde Polio zwar das letzte Mal 1992 aus Ägypten und Indien eingeschleppt. Dennoch empfiehlt die Ständige Impfkommission die Polio-Impfung bei Säuglingen und Kindern sowie zur Auffrischung auch bei Erwachsenen. Ausbrüche von mutierten Impfviren wie bei der in Afrika verabreichten Schluckimpfung treten dabei nicht auf, da es sich hierbei um Vakzine mit inaktivem Virus handelt.
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