Vor der Pandemie hatte der Spaziergang noch ein leicht angestaubtes Image. Nun wurde dieses wieder aufpoliert und er ist zur meistausgeführten körperlichen Aktivitäten im Freien mutiert. Währenddessen ist er auch zum sozialen Höhepunkt vieler Menschen geworden, da man sich aus Sicherheitsgründen nun häufiger draußen trifft als noch vor der Corona-Krise.
Neuer Volkssport: Spazierengehen
Die Vorteile des Spaziergangs: Er kostet nichts, ist gesund und kann jederzeit ohne Weiteres unternommen werden. Alles, was dazu nötig ist: Zwei gesunde Beine und vielleicht eine Thermoskanne Tee oder Kaffee. Ob allein oder zu zweit, im Wald oder im Park: ein Spaziergang ist immer eine gute Idee. Während der Pandemie hat der gute alte Spaziergang wieder an Beliebtheit gewonnen, was laut Prof. Jens Kleinert von der Abteilung Gesundheit und Sozialpsychologie der Deutschen Sporthochschule Köln auch kein Wunder ist. „Viele Orte, wo man sich normalerweise mit Freunden treffen würde, stehen momentan nicht zur Verfügung – also trifft man sich draußen.“ Der Spaziergang habe sich zu einem „Medium des sozialen Miteinanders“ entwickelt, hauptsächlich, weil den Menschen momentan keine andere Wahl bleibt.
Gründe für Spaziergänge haben sich verändert
Noch vor kurzer Zeit sind vorrangig ältere Menschen spazieren gegangen. In der aktuellen Situation dient der Spaziergang jedoch nicht nur dazu, an die frische Luft zu kommen, er bietet auch eine der wenigen Möglichkeiten zur Sozialisierung. Dementsprechend hat sich der Anlass zum Spazierengehen verändert. Dies sagt auch Kulturwissenschaftlerin Prof. Gudrun M. König der TU Dortmund: „Man geht spazieren, um jemanden zu treffen und sich zu unterhalten. Vielleicht hat man eine Thermoskanne mit Kaffee, etwas zum Knabbern oder Ähnliches dabei, was man normalerweise nicht zum Spaziergang mitnehmen würde.“ Die Aktivität an der frischen Luft erhält während der Pandemie eine ganz neue Bedeutung. Auch die Rahmenbedingungen haben sich verändert: Die Umgebung sei in der momentanen Situation zweitrangig, sagt die Expertin. Während es früher darum ging, zu sehen und gesehen zu werden, liege der Fokus heute auf dem Sozialisierungs- und Bewegungsaspekt. Ebenso haben viele jüngere Menschen in den Krisenzeiten das absichtslose Schlendern für sich entdeckt.
Spazier-Kultur lebt auf
Seitdem der alljährliche Urlaub in fremde Länder gestrichen wurde, wollen immer mehr Menschen das Heimatland besser kennenlernen und erkunden. Der Tourismus in Deutschland profitiert von der Corona-Krise und die Kultur des Spaziergangs lebt wieder auf. „Wir merken seit Corona ein deutlich gestiegenes Interesse am Wandern und Spazierengehen“, so Nina Dolezych, Sprecherin der Ruhr Tourismus GmbH. Viele seien neugierig und wollen entdecken, was Deutschland zu bieten hat. Es gibt genügend Spaziergänge oder längere Wanderwege, die nicht weit von der eigenen Haustür entfernt sind. Nicht nur im Ruhrgebiet boomt der Tourismus, Tourismus-Experten im Bergischen Land beobachten ähnliches: „Beim Verkauf unserer Wanderkarten gab es im vergangenen Jahr eine Steigerung von mehr als 300 Prozent“, verkündet David Bosbach, Sprecher der Tourismusorganisation „Das Bergische“. Viele Besucher kämen für einen Tagesausflug aus umliegenden Regionen, um neue Ecken Deutschlands auszukundschaften.
Gesundheitliche Vorteile
Dass ein Spaziergang oder generell Zeit an der frischen Luft Wunder bewirken kann und gesundheitliche Vorteile mit sich bringt, ist schon seit Langem bekannt. „Bewegung an der frischen Luft ist wohltuend für Körper und Seele“, sagt auch Sportpsychologe Kleinert. Der Spaziergang bietet während der Pandemie einen guten Ausgleich, da viele Menschen momentan nicht ihren gewohnten sportlichen Hobbys im Verein oder Fitnessstudio nachgehen können. Auch im „Home Office“ kann es dazu kommen, dass man das Gefühl bekommt, die Decke würde einem auf den Kopf fallen. Der Drang nach Bewegung ist ausgeprägter, da sonstige Aktivitäten wegfallen. Hier kann der Spaziergang leicht Abhilfe schaffen. „Menschen haben einen Bewegungsdrang – der wird gelöst, indem man eine Runde um den Block geht.“, erklärt Kleinert. Hinzu kommt, dass Spazierengehen und die Zeit an der frischen Luft das Immunsystem stärken. Außerdem ist es ein günstiges Hobby und bedarf keinerlei Vorbereitung oder besonderer Fähigkeiten. König unterstreicht dies mit einer simplen Aussage: „Man kann einfach losgehen.“
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