Je nach Infektionsverlauf kann das Coronavirus bekanntlich diverse Körperregionen, so auch verschiedene Organe, befallen. Dazu gehören Lunge, Atemwege, Verdauungstrakt, Nerven und Herz-Kreislauf-System. Wissenschaftler der Universität Ulm konnten nun in einer Studie nachweisen, dass auch die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse nicht sicher vor Sars-CoV-2 sind.
Symptome wie bei Diabetes
„Bei Patienten mit einer COVID-19-Erkrankung gibt es immer wieder Verläufe, bei denen auch die Regulation des Blutzuckerspiegels gestört ist“, erläutert Oberarzt Professor Martin Wagner vom deutschen Forschungsteam. Vergleichbare Symptome treten normalerweise nur bei Betroffenen auf, die unter Typ-1-Diabetes leiden. Denn die Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse, die vom Virus befallen werden, sind für die Produktion von Insulin verantwortlich. Durch das Ungleichgewicht bei einer Erkrankung treten sogleich weitere Beschwerdebilder auf. So kam es bei einigen Patienten zu einer Hyperglykämie, die eine gravierende Form der Überzuckerung darstellt. Auch Fälle von Ketoazidose, einer Übersäuerung des Blutes, fanden sich unter den Studienteilnehmern.
Stoffwechselstörung ist die Folge
Im Detail befällt das Virus die sogenannten Langerhans’schen Inseln, die sich in der Bauchspeicheldrüse befinden. Diese hormonproduzierenden Strukturen enthalten die betroffenen Beta-Zellen, die wiederum Insulin für den Stoffwechsel bereitstellen. „Diese Beta-Zellen exprimieren bestimmte Eiweißmoleküle, ohne die Sars-CoV-2 die Zellen nicht infizieren kann“, meint dazu Studienleiter Professor Jan Münch. Genau genommen sind es die körpereigenen Proteine TMPRSS2 und ACE2, die davon betroffen sind. Mithilfe des Spike-Schlüsselproteins docken Coronaviren daran an und infizieren weitere Zellen. Dieselbe Beobachtung wurde bei den Langerhans’schen Inseln nun gemacht. Auch konnte eine nachhaltige Veränderung in Form und Funktion bei infiziertem insulinproduzierenden Gewebe festgestellt werden. Das führt in Folge zu einer schlechteren Speicherung von Insulin, was die Situation weiter verschlimmert.
Bauchspeicheldrüse leidet länger als die Lunge
Im Verlauf der Studie wurde auf Autopsien verstorbener Covid-19-Patienten zurückgegriffen, um den Befall der Bauchspeicheldrüse nachweisen zu können. Das Erstaunliche daran: „Selbst nachdem in der Lunge keine Virusproteine mehr zu finden waren, konnten diese in der Bauchspeicheldrüse noch nachgewiesen werden, und dies bei unterschiedlich langen Krankheitsverläufen“, hebt Pathologe Professor Thomas Barth hervor, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Dies deute möglicherweise daraufhin, dass Infektionen mit dem Coronavirus Sars-CoV-2 länger andauern könnten als bisher gedacht.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwieweit sich Covid-19 auf eine bestehende Diabeteserkrankung auswirkt. Um dieser Frage nachzugehen, sind noch weitere Studien erforderlich. Auch die Frage, welche Relevanz die Erkenntnisse auf den klinischen Krankheitsverlauf haben, ist weiterhin offen.
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