Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die von spontanen Anfällen gekennzeichnet ist. Diese entstehen durch die plötzliche, zeitgleiche Entladung vieler Nervenzellen und führen meist zu krampfartigen Muskelkontraktionen und Bewusstseinstrübung. Fortschritte für die Diagnostik und Erkennung solcher Anfälle machten nun Schweizer Forschende: Sie entwickelten einen Chip, der die relevanten Biosignale in Echtzeit auswerten soll.
Neuromorpher Chip ermöglicht Echtzeitverarbeitung
Die Leistung, die Künstliche Intelligenzen (KI) erbringen, ist beeindruckend. Dank Algorithmen mit neuronalen Netzen lässt sich heutzutage eine Vielzahl von Problemen lösen. Trotzdem können sie mit menschlichen Gehirnen nicht mithalten, wenn es um die Verarbeitung oder Interaktion mit der Umwelt geht. Die hohe Rechenleistung, die KIs beanspruchen, und die für die Auswertung gebrauchte Zeit sind ein Problem. Ein Forschungsteam der Universität Zürich, der ETH Zürich und des Universitätsspitals Zürich entwickelte daher einen Chip, der auf sogenannter neuromorpher Technologie basiert. Dieser soll selbst komplexe Biosignale zuverlässig und genau erkennen. Das konnten die Forschenden bei Epilepsie bereits einsetzen: Sie nutzten den Chip, um Hochfrequenz-Oszillationen (HFO) zu analysieren. HFOs sind spezifische Wellen, die mittels intrakraniellem Elektroenzephalogramm (iEEG) gemessen werden und als Marker für epileptische Anfälle dienen.
Schnell und stromsparend
Die Forschenden entwickelten zunächst einen Algorithmus, der das Gehirn imitiert: Ein Spiking Neural Network (SNN) soll das natürliche neuronale Netzwerk nachahmen. Dieses brachten sie dann auf einem etwa fingernagelgroßen Chip unter, der über Elektroden neuronale Signale empfängt und sehr stromsparend läuft. Außerdem ist er schnell: Dank neuromorpher Technologie verfügt die Hardware über sehr hohe Zeitauflösung. „Unser Aufbau erlaubt es, raumzeitliche Muster in biologischen Signalen in Echtzeit zu erkennen“, schildert Giacomo Indiveri, Professor am Institut für Neuroinformatik der UZH und der ETH Zürch. Die Studienergebnisse veröffentlichte das Team kürzlich im Fachmagazin „Nature Communications“.
In Zukunft auch zum Mitnehmen
Auf Basis dieser Erkenntnisse wollen die Forschenden nun ein elektronisches System aufbauen, das in Echtzeit HFOs erkennt und überwacht. Das könnte zum Beispiel neurochirurgische Eingriffe optimieren, da die Technik als Diagnosemethode während einer OP dienen könnte. Langfristig hoffen die Forschenden allerdings, ein Epilepsie-Überwachungsgerät zu entwickeln. Dieses könnte dann auch außerhalb des Krankenhauses im Alltag von Epilepsiepatienten zum Einsatz kommen. „Wir möchten dafür eine drahtlose Datenübertragung mit geringem Stromverbrauch integrieren – beispielsweise zur Datenerfassung auf einem Mobiltelefon“, so Indiveri. Auf diese Weise könnten Daten über mehrere Wochen oder Monate ausgewertet werden, was der Therapie der Patienten zugute käme. „Ein solcher tragbarer oder implantierbarer Chip könnte Phasen mit hoher oder niedriger Anfallsneigung identifizieren und so eine personalisierte Medizin ermöglichen“, ergänzt Johannes Sarnthein, Neurophysiologe am Universitätsspital Zürich.
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