Unsere Bewegungen geben viel über die Gesundheit unseres zentralen Nervensystems preis. Daher gehört die Analyse der Motorik bereits seit Längerem zu den wichtigsten nicht-invasiven diagnostischen Methoden. Deutsche und schweizerische Forschende entwickelten nun eine Technik, die diesen Prozess verbessern soll.
Selbstständiger Algorithmus findet auffällige Bewegungsmuster
Das Team unter der Leitung von Prof. Dr. Björn Ommer von der Universität Heidelberg nutzte dafür künstliche neuronale Netzwerke, eine Form des Maschinellen Lernens. Die Technik trägt den Namen „Unsupervised Behaviour Analysis and Magnification“, kurz uBAM. Unsupervised bedeutet dabei, dass der Algorithmus ganz eigenständig erkennt, welches Verhalten auf neurologische Erkrankungen hinweist. Dafür analysiert das Programm Videos von Patienten und vergleicht diese mit anderen Aufnahmen. So weiß die Künstliche Intelligenz, welche Bewegungen und Haltungen normal sind und welche genauerer Beobachtung bedürfen. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Machine Intelligence“.
Wie eine Lupe: Programm macht Abweichungen sichtbar
Werden Differenzen entdeckt, fungiert das neuartige Diagnoseverfahren zusätzlich als eine Art Lupe. Es verstärkt dann direkt im Video die entdeckten motorischen Auffälligkeiten, sodass Fachleute diese einordnen können. „Damit ermöglichen wir es Neurowissenschaftlern und Ärzten, auch sehr subtile motorische Störungen auszumachen, die mit bloßem Auge leicht zu übersehen sind, und heben diese hervor, indem wir die Abweichung verstärken. So können wir genau eingrenzen, um welche Art von Erkrankung es sich im individuellen Fall handelt“, erklärt der Informatiker Prof. Ommer. Bisher musste im Vorhinein bekannt sein, dass eine Person motorische Beeinträchtigungen hat, um diese analysieren zu können. Aber Prof. Ommer findet: „Ein wirkliches Diagnosewerkzeug sollte motorische Störungen nicht nur bestätigen, sondern vielmehr überhaupt erst erkennen und auch korrekt zuordnen können.“
Hohe Trefferquote und wenig Aufwand
Sowohl in Tiermodellen als auch in Studien mit menschlichen Versuchspersonen konnte die Technologie bereits überzeugen. Dabei wurde untersucht, mit welcher Genauigkeit uBAM zwischen gesunder und beeinträchtigter Bewegung unterschied. „Insgesamt zeigen unsere Untersuchungen, dass der auf Künstlicher Intelligenz basierende Ansatz im Vergleich zu herkömmlichen Methoden bei wesentlich geringerem Aufwand detailliertere Ergebnisse liefert“, fasst Prof. Ommer zusammen. Daher hoffen die Forschenden auf einen breiten Einsatzbereich ihrer Künstlichen Intelligenz. So soll sie nicht nur in der klinischen Diagnostik sondern auch in der biomedizinischen Grundlagenforschung Verwendung finden. „Das Interface kann dort eingesetzt werden, wo sich herkömmliche Methoden als zu aufwändig, mühsam oder nicht leistungsfähig genug erweisen. Potenziell könnte es so zu einem besseren Verständnis von neuronalen Prozessen im Gehirn und zur Entwicklung von neuen Behandlungsmöglichkeiten beitragen“, so Ommer.
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