Inzwischen sind Schnelltests zwar weitestgehend verfügbar, doch der tägliche Abstrich vor Schule oder Arbeit kommt für viele trotzdem nicht infrage. Eine digitale Alternative verspricht jetzt ein Münchner Unternehmen.
Digitaler Schnelltest scannt Augen auf Corona
Eine bayerische Firma hat einen digitalen Corona-Test entwickelt, der sogar PCR-Tests Konkurrenz machen könnte. „SEMIC EyeScan“ soll eine Infektion mit SARS-CoV-2 innerhalb von drei bis fünf Minuten erkennen. Außerdem liegen Sensitivität und Spezifität bei satten 97 Prozent, berichtet die bayerische Herstellerfirma Semic RF Electronic. Und auch die Anwendung soll mit jeder Smartphone-Kamera oder Webcam mit mindestens 12 Megapixeln möglich sein, schreibt das Unternehmen auf seiner Webseite. Damit würde der digitale Schnelltest nicht nur mehr Komfort und Schnelligkeit bieten, auch Personal, Schutzkleidung und das Risiko, sich beim Testen anzustecken, würden entfallen. Und wo die App schon dabei ist, bestimmt sie auch gleich Puls sowie Körpertemperatur und prüft beispielsweise, ob der Blutdruck normal ist oder eine Bindehautentzündung vorliegt.
Farbe der Sklera entscheidet
Möglich macht diese Analyse eine Künstliche Intelligenz (KI). Sie erkennt anhand einer Aufnahme des Auges, ob die betreffende Person aktuell mit dem Coronavirus infiziert ist. Dafür überprüft sie die Farbe der Lederhaut, medizinisch Sklera. Dieser Teil, der auch „weiße Augenhaut“ genannt wird, soll laut Semic RF Electronic bei einer akuten SARS-CoV-2-Infektion rosa gefärbt sein. „Uns ist es gelungen, aus über zwei Millionen unterschiedlichen rosa Farbtönen den von Covid-19 zu isolieren“, erklärt Geschäftsführer Wolfgang Gruber gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Zurzeit wartet das Unternehmen in der EU auf eine Sonderfreigabe des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Augenärzte bezweifeln jedoch, dass die App halten kann, was sie verspricht.
Augenärzte skeptisch: Beweise fehlen
Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) sagte der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands: „Bisher sind uns keine wissenschaftlichen Studien bekannt, die Anlass zu der Annahme geben, anhand einer Augenuntersuchung könne man eine Infektion mit dem Virus nachweisen.“ Eine Bindehautentzündung gehört zwar laut Robert-Koch-Institut (RKI) zu den Symptomen, die durch eine Infektion mit dem Coronavirus ausgelöst werden könnten, doch gehöre sie zu den selteneren. In einer chinesischen Studie, die vergangenen Jahres im Fachmagazin „Acta Ophthalmologica“ erschien, hatte gerade einmal fünf Prozent der untersuchten Patienten eine Konjunktivitis.
Überprüfung ausstehend
Ob es einen Corona-spezifischen Rosaton der Lederhaut gibt, ist zurzeit noch nicht erforscht. Doch wäre es nicht das erste Mal, dass Künstliche Intelligenz im Gesundheitssektor Fortschritte bringt. Ob in der Parkinson-Diagnostik oder der Erkennung neurologischer Krankheiten: Immer öfter offenbaren Maschinen, was wir Menschen übersehen. Doch bis die Verlässlichkeit des Corona-Augen-Scans in unabhängigen, wissenschaftlichen Studien nachgewiesen ist, gilt es, vorsichtig zu sein. Auch der Pressesprecher der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) Prof. Horst Helbig rät: „Wir warnen dringend davor, Tests einzusetzen, für die es keine Daten gibt und die nicht evaluiert und zugelassen sind.“
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