Die Leistungsfähigkeit steigt, die Stimmung hebt sich und im ganzen Körper breitet sich ein Gefühl der Entspannung aus – für viele Raucher ist der Nikotinkick im Alltag unverzichtbar geworden. Abgelenkt vom Dopaminrausch werden schädliche Nebenwirkungen oftmals ausgeblendet. Dass sich diese Ignoranz gesundheitlich rächt, verdeutlicht die bedrohliche Erkrankung COPD. Neue Erkenntnisse der Lungenforschung könnten nun jedoch eine effektive Therapie ermöglichen.
Wie entwickelt sich COPD?
Bei der sogenannten chronisch obstruktiven Lungenerkrankung weisen sowohl Lunge als auch Atemwege schwere Schäden auf. Betroffene geraten folglich schnell in Atemnot – schon alltägliche Aktivitäten wie Treppensteigen oder ein Spaziergang können zur Belastung werden. Normalerweise entwickelt sich das Krankheitsbild langsam im Laufe mehrerer Jahre. Starkes Rauchen wird von Medizinern als Hauptrisikofaktor betrachtet. Doch auch andere Irritationen der Lunge, wie beispielsweise eine hohe Feinstaubbelastung am Arbeitsplatz, können zu einer Erkrankung führen. Wird der Körper den Schadstoffen zu lange ausgesetzt, werden die sogenannten Flimmerhärchen in der Lunge beschädigt. Diese Härchen spielen bei der Krankheitsprävention eine entscheidende Rolle, denn sie sorgen dafür, dass keimbehafteter Schleim nicht in die Lunge gelangt. Gerät dieser Schutzmechanismus außer Kontrolle, kann der Mukus nicht mehr abtransportiert werden – verstopfte Bronchien sind die Folge.
Kontroverses Therapiekonzept
Um eine Verschlechterung des Lungenzustands zu verhindern, bauen viele Mediziner auf eine Kombination aus Kortikosteroiden und Bronchodilatatoren. Während Bronchodilatatoren die Bronchien erweitern und somit für eine bessere Atmung sorgen, bewähren sich Kortikosteroide durch ihren entzündungshemmenden Effekt. Trotz der erwiesenen Vorteile geht die Einnahme von Kortikosteroiden jedoch nicht ohne Nebenwirkungen einher: Pilzbefall der Mundschleimhaut, Heiserkeit und paradoxe Lungenentzündungen stellen lediglich ein paar der bekannten Begleiterscheinungen dar. Angesichts der Nebenwirkungen spalten sich bei der Korikosteroidtherapie die Meinungen: Während die Befürworter auf die anti-inflammatorische Wirkung vertrauen, überwiegen für die Kritiker die negativen Auswirkungen.
Komplexe Nutzen-Risiko-Abwägung
Ein Expertenteam der Universität Zürich nahm das Nutzen-Risiko-Verhältnis des Medikaments genauer unter die Lupe. Den Forschern zufolge würden sich vor allem die Dosis und persönliche Faktoren auf den Therapieerfolg auswirken: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass drei Hauptfaktoren die Balance zwischen Therapienutzen und Nebenwirkungen unterschiedlich dosierter Kortikosteroide beeinflussen: das Risiko einer akuten Verschlechterung, die Menge bestimmter Blutzellen und das Alter des Patienten“, erklärt Erstautor Henock Yebyo. Im Rahmen der Untersuchungen zogen die Wissenschaftler zahlreiche Therapiemerkmale und individuelle Krankheitsverläufe in Betracht. Die Forscher führten anschließend umfangreiche statistische Analysen durch, um festzustellen, wie hoch das Risiko für akute gesundheitliche Verschlechterungen bei den Betroffenen sein muss, damit der Nutzen die negativen Begleiterscheinungen rechtfertigt.
Nebenwirkungen überwiegen meist
Die Experten kamen zu der Erkenntnis, dass Patienten aus niedrig bis moderat dosierten Kortikosteroiden keinen Vorteil ziehen, wenn ihr Risiko einer akuten Verschlechterung innerhalb der nächsten zwei Jahre unter 32 Prozent liegt. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um jene Betroffenen, deren Lungenzustand seit der Erkrankung größtenteils unverändert blieb. Tendenziell wurden erhöhte Dosierungen dieses Arzneimittels mit schwerwiegenden Begleiterscheinungen in Verbindung gebracht, die den Nutzen nicht überwiegen. Auch Erkrankte über 80 Jahren profitieren von der medikamentösen Behandlung kaum, da ihr Lungenentzündungsrisiko höher ausfällt als die Linderung akuter Komplikationen. Eine Ausnahme bilden Patienten mit einem hohen Anteil asthmatypischer Blutzellen: Für diese Personengruppe überwiegen die Vorzüge der Medikamentenbehandlung.
Korrekte Dosierung begünstigt Therapieerfolg
Als die Mediziner ihre Resultate mittels Krankenakten verifizierten, stellte sich heraus, dass viele Patienten mit einer unangemessenen Dosis Kortikosteroid behandelt wurden, die sich in weiterer Folge negativ auf ihren Gesundheitszustand auswirkte. „Unsere Ergebnisse führen nicht unbedingt dazu, dass weniger Kortikosteroide eingesetzt werden. Aber sie helfen, die Über- und Unterversorgung zu minimieren, indem die Therapie hinsichtlich Dosierung und Patientenmerkmalen zugeschnitten wird“, resümiert Henock Yebyo.
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