Im Schatten der Corona-Pandemie steht die epidemische Ausbreitung einer weiteren Krankheit: Diabetes nimmt in Deutschland stark zu, warnt die Deutsche Diabetes Gesellschaft. In diesem Zusammenhang wird immer wieder die Einführung einer „Zuckersteuer“ diskutiert, welche auf zuckerhaltige Getränke und Lebensmittel erhoben werden soll, um damit bei den Verbrauchern eine Reduktion des Konsums zu erreichen. Ein Blick auf Länder, die die Zuckersteuer bereits eingeführt haben, zeigt unterschiedliche Ergebnisse.
Die Folgen von Übergewicht
In Deutschland sind rund zwei Drittel der Männer (67 Prozent) und die Hälfte der Frauen (53 Prozent) übergewichtig. Ein Viertel der Erwachsenen ist sogar stark übergewichtig (adipös), so die Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS 1), die von 2008 bis 2011 durchgeführt wurde. Übergewicht und Fettleibigkeit gehen mit zahlreichen Folgeerkrankungen einher: Darunter Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebs und degenerative Gelenkerkrankungen. Dadurch ergeben sich nicht nur gesundheitliche Probleme für die Einzelpersonen, sondern auch beträchtliche Kosten für das Gesundheits- und Sozialsystem.
Zuckergesüßte Getränke als Gesundheitsproblem
Besonders der übermäßige Konsum von Zucker (Mono- und Disaccharide) wird immer wieder als Risikofaktor für Diabetes diskutiert – sowohl direkt als auch indirekt aufgrund der Förderung von Übergewicht. Studien legen nahe, dass vor allem der Konsum von Getränken mit zugesetzten Zuckern (SSB – sugar sweetened beverages) dabei eine Rolle spielt. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft befürwortet daher die Einführung einer Zuckersteuer auf ungesunde Lebensmittel im Sinne der Adipositas- und Diabetesprävention. Auch die WHO empfiehlt Regierungen, eine Zuckersteuer auf Softdrinks einzuführen. Der Preis müsste dabei laut Experten um mindestens 20 Prozent steigen, um sich signifikant auf Konsum und Körpergewicht der Bevölkerung auszuwirken. Ein Bericht des Deutschen Bundestages untersuchte die Zuckersteuer und ihre Auswirkungen in ausgewählten Ländern.
Zuckersteuer in anderen Ländern
Mexiko: In Mexiko wird seit 2014 eine Verbrauchssteuer von zehn Prozent (1 Peso pro Liter) auf zuckerhaltige Getränke erhoben. Im ersten Jahr reduzierte sich der Konsum der versteuerten Getränke dabei um durchschnittlich 6 Prozent. Eine weitere Studie ermittelte für 2015 sogar einen Rückgang um 9,7 Prozent. In beiden Jahren verzeichneten vor allem Haushalte auf dem niedrigsten sozioökonomischen Niveau die größten Rückgänge.
Frankreich: Seit 2012 gibt es in Frankreich eine sogenannte „Sodasteuer“, die auf nicht-alkoholische Getränke mit Zucker sowie auf Getränke mit künstlichen Süßungsmitteln erhoben wird. Die Umsetzung war dabei etwa bei aromatisierten Wässern unvollständig, zudem stellte die Steuer keinen Anreiz zur Reformulierung der Rezepturen dar. 2018 erfolgte eine Änderung, eine Verhaltenssteuer werde angestrebt: Die Zuckersteuer erfolgt nun abhängig von der Menge des zugesetzten Zuckers, was bisher nicht der Fall war.
Vereinigtes Königreich: Im Vereinigten Königreich fällt seit 2018 eine Zuckersteuer an. Dabei zahlen Hersteller von Softdrinks eine Gebühr, die den Preis für den Endverbraucher teurer machen. Getränke mit Zuckerzusatz und einem Gesamtzuckergehalt von fünf Gramm oder mehr pro 100 Milliliter (ca. 5 Prozent Zuckergehalt oder mehr) erhalten 18p/Liter (ca. 21c) Preisaufschlag. Bei acht Gramm oder mehr pro 100 Milliliter (ca. 8 Prozent Zuckergehalt) sind es 24p/Liter. Der Erlös der Abgabe sei vor allem für den Bildungsbereich gedacht, etwa den Ausbau von Sport an Schulen, Frühstücksclubs oder sonstige Gesundheitsprojekte. Zudem wolle die Regierung die Erzeuger zu einer Reformulierung ihrer Produkte ermutigen. So hat etwa Großbritanniens größte Handelskette Tesco bereits angekündigt, den Gesamtzuckergehalt ihrer Produkte senken zu wollen. Die Reformulierung von Produkten sei aus verhaltenstechnischer Sicht des Verbrauchers besonders reizvoll – sie fordere keine Änderung der Gewohnheiten des Verbrauchers und verbessere dennoch die Gesundheit.
Norwegen: Norwegen besteuert seinen Zuckerverbrauch bereits seit dem Jahr 1922. 2018 erhöhte die Regierung die Steuern auf zuckerhaltige Lebensmittel um bis zu 83 Prozent. Seitdem ging der Absatz von zuckerhaltigen Getränken drastisch zurück, die Brauerei & Getränkevereinigung verzeichnete einen zweistelligen Umsatzrückgang. Allerdings sind Anpassungen der Steuer geplant, etwa eine Staffelung der Abgaben je nach Zuckergehalt.
Neuseeland: In einer neuseeländischen Metastudie untersuchten und bewerteten die Forschenden 47 Publikationen der letzten fünf Jahre zum Thema sugar taxes. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass die Erfahrungen mit der Zuckersteuer aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltungen generell kompliziert seien. Während einige Länder hauptsächlich zuckergesüßte Getränke besteuerten, würden andere auch reine Fruchtsäfte oder Lebensmittel mit hohem Zuckergehalt besteuern. Wieder andere wollen in Kombination mit anderen Maßnahmen die Gesundheit der Bevölkerung verbessern und in einigen Ländern diene die Zuckersteuer lediglich für zusätzliche Steuereinnahmen. Grundsätzlich ließe sich aber feststellen, dass die Steuern in der Regel an die Preise weitergegeben würden und dadurch eine geringere Nachfrage nach den Produkten wahrscheinlich sei. Der Beweis, dass die Zuckersteuer die Gesundheit verbessere, sei jedoch schwach: Man könne nicht ausreichend beurteilen, inwiefern der Zucker aus Getränken durch andere Zucker- oder Kalorienquellen ersetzt würde.
Anreiz für Alternativen setzen
Foodwatch kritisiert in Großbritannien, dass viele Hersteller den Zucker schlicht durch Süßstoffe ersetzt haben. Für eine effektive Zuckervermeidung der Bevölkerung müsste sich aber der süße Geschmack per se verringern. Nur so würden Kinder und Jugendliche sich nicht daran gewöhnen. Denn derzeit konsumieren Deutschlands Jugendliche hohe Mengen an Softdrinks: Bei den 11- bis 17-Jährigen sind es sogar über 300 Milliliter Cola, Fanta & Co. pro Tag. Kinder aus sozial schwachen Familien konsumieren dabei überdurchschnittlich viel. Ein Großteil der Studien zur Zuckersteuer zeigte, dass der sozioökonomische Status einen hohen Einfluss auf die Änderung des Konsumverhaltens infolge einer Zuckersteuer hatte: Menschen mit niedrigerem sozioökonomischem Status wählten eher billigere Produkte. Die Erfahrung in Ungarn zeigte zudem, dass viele Personen als Alternative ein gesünderes Produkt wählten. In diesem Zusammenhang schlagen die ungarischen Studienautoren auch vor, Preissubventionen für gesündere Produkte wie Obst und Gemüse in Betracht zu ziehen.
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