Dass Schlaf ungemein wichtig für ein gesundes Leben ist, wird immer deutlicher – gerade heutzutage, wo Schlafrhythmus und -qualität von so vielem aus dem Takt gebracht werden können. Der Körper und vor allem das Gehirn brauchen die Nachtruhe. Ganz verständlich ist der Forschung noch nicht, was unser Gehirn in diesem Zustand tut – denn Ruhe ist bei unseren Neuronen nicht. Aber klar ist, dass Schlafentzug, gerade über längere Zeit, verheerend wirken kann: Von Stimmungsschwankungen über Gewichtszunahme bis hin zu einem geschwächten Immunsystem sind die möglichen Folgen breit gefächert. Trotzdem tauschen viele Menschen gerne mal Schlummer gegen andere Aktivitäten. Aber wann wird das problematisch, wie viel Schlaf brauchen wir? Forschende der Universität Cambridge sahen sich dafür nun den Zusammenhang zwischen Schlafdauer und kognitiver und psychischer Verfassung an.
So wichtig wie Bewegung
Für die Studie, die „Nature Aging“ kürzlich publizierte, untersuchte das britische Forschungsteam Daten aus der UK Biobank von 500.000 Menschen zwischen 38 und 73 Jahren und stellten fest, dass sich sowohl zu wenig als auch zu viel Schlaf negativ auf die geistigen Fähigkeiten und die mentale Gesundheit auswirkten. „Mit jeder Stunde, die man sich von den sieben Stunden entfernte, ging es einem schlechter. Es ist ganz klar, dass die Prozesse, die während des Schlafs in unserem Gehirn ablaufen, sehr wichtig für die Erhaltung unserer körperlichen und geistigen Gesundheit sind“, sagt Prof Barbara Sahakian. Ebenso zeigte die Studie, dass der Körper Beständigkeit braucht, was die Schlafmenge betrifft. Die Expertin fügt hinzu, dass guter Schlaf in allen Lebensabschnitten essenziell sei, besonders aber im Alter. „Ich denke, das ist genauso wichtig wie Bewegung“.
Vom Einschlafen bis zum Traum
Ein möglicher Grund für den Zusammenhang zwischen Schlafmangel und schlechterer kognitiver Performance könnte bei den Aufgaben liegen, die ausbleiben, wenn dem Gehirn die Nachtruhe geraubt wird. Unser Schlaf ist in verschiedene Phasen unterteilt, die sich unter Anderem in der Art der Gehirnaktivität unterscheiden: Zunächst kommt die Einschlafphase, gefolgt von der Leichtschlafphase. Danach beginnt die erste Tiefschlafphase, in der sich sehr langsame Gehirnwellen, die Deltawellen, mit kleineren, schnelleren Wellen abwechseln. Danach folgt eine Phase noch tieferen und erholsameren Schlafs mit mehr Deltawellen. Wer aus dieser Phase erwacht, fühlt sich kurz desorientiert. Zuletzt kommt die REM-Phase (Rapid Eye Movement), in der wir träumen. Die Gehirnaktivität sieht hierbei ähnlich aus wie im Wachzustand. Ein ganzer Zyklus, der alle Phasen einmal durchläuft, dauert etwa zwischen 90 und 110 Minuten. In einer Nacht durchschläft man daher mehrere Zyklen, wobei die ersten Zyklen von kürzeren REM-Phasen und längeren Tiefschlafphasen geprägt sind, mit Fortschreiten der Nacht verlängern sich aber die REM-Phasen und der Tiefschlaf wird kürzer.
Tiefschlaf: Wichtig für das Gedächtnis
Der Tiefschlaf wird als besonders wichtig für die Kognition erachtet. Studien haben gezeigt, dass diese Phase in Verbindung steht mit der Gedächtniskonsolidierung, der Übertragung der Erinnerung vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis. Außerdem vermuten Forschende, dass das Gehirn in dieser Schlafphase Giftstoffe beseitigt. Allerdings ergeben nicht alle Funde der aktuellen Studie für die WissenschaftlerInnen Sinn: „Wir verstehen nicht wirklich, warum es ein Problem sein sollte, länger zu schlafen“, sagte Sahakian. Anhand von Hirnscans konnten die Forschenden allerdings erkennen, dass zu viel oder zu wenig Schlaf mit geringerem Hirnvolumen korrelierten. Außerdem konnten sie erkennen, dass die Region um den Hippocampus, die Struktur, wo das Gedächtnis vermutet wird, am meisten durch Schlaf beeinflusst wird. Personen, die sieben Stunden pro Nacht schliefen, erzielten die besten Ergebnisse in den kognitiven Tests.
Auch andere Einflussfaktoren denkbar
Allerdings könne man keine kausalen Schlüsse aus den Daten ziehen, bemerken die Forschenden, denn es könnten auch andere Faktoren sowohl den Schlaf als auch die Kognition beeinflussen. Demenzpatienten etwa hätten oft mit Insomnie und anderen Schlafproblemen zu kämpfen. Ebenso könnte der Zusammenhang zwischen zu viel Nachtruhe und schlechterer kognitiver Performance daran liegen, dass Menschen, die eine schlechtere Schlafqualität haben, oft länger im Bett bleiben. Klar sei, dass das Verhältnis von Schlaf und Geist komplex sei und mit ihm auch die Gründe, warum ältere Menschen schlechter schlafen. Prof. Jianfeng Feng von der Fudan-Universität in Shanghai sagt: „Wir können zwar nicht endgültig sagen, dass zu wenig oder zu viel Schlaf zu kognitiven Problemen führt, aber unsere Analyse, die Personen über einen längeren Zeitraum hinweg betrachtet, scheint diese Idee zu unterstützen.“
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