Die Auswirkungen einer Corona-Erkrankung sind oftmals drastisch: Nicht nur die Lunge, sondern auch andere Organe wie das Gehirn sind zum Teil langfristig davon betroffen. Auch die kognitive Leistungsfähigkeit wird mehreren aktuellen Studien nach enorm beeinflusst. Insgesamt kämpfen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rund 10 bis 20 Prozent der Corona-Erkrankten gegen Long-Covid-Symptome an. Lange Zeit war offen, wie diese Patienten langfristig behandelt werden sollten – Lübecker Forscher bringen nun Licht ins Dunkel und haben einen potentiellen neuen Ansatz für eine effektive Long-Covid-Therapie gefunden.
Folgenschwere Corona-Infektion
Müdigkeit, anhaltende Erschöpfungszustände und Atembeschwerden, aber auch der sogenannte „Nebel im Gehirn“ – um nur einige wenige Beispiele zu nennen – sind typische Symptome, die nach einer Corona-Erkrankung auftreten können, und das auch langfristig. Eine Therapie dagegen gibt es zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht. Eine Studie unter der Leitung von Markus Schwaninger, Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Lübeck, hat sich mit der Thematik auseinandergesetzt und untersuchte dabei, wie sich Covid-19 auf die Endothelzellen im Gehirn auswirkt. Dabei entdeckten die Forscher einen möglichen neuen Behandlungsansatz.
Entdeckung eines potentiellen Angriffspunktes
Zusammen mit weiteren Forschern aus Frankreich, Spanien und Deutschland konnte herausgefunden werden, dass das Coronavirus zu einem Gefäßuntergang im Gehirn führt, der durch die Spaltung eines Proteins namens NEMO vermittelt wird und durch eine spezifische pharmakologische Intervention unterbunden werden kann. Diese neuen Erkenntnisse über die Wirkung des Coronavirus auf die Gefäßuntergänge im Gehirn könnten zu einem potentiellen therapeutischen Angriffspunkt für Long-Covid führen. Außerdem wurde herausgefunden, dass die Endothelzellen im Gehirn mit SARS-CoV-2 infiziert werden können und dass eine solche Infektion wiederum zum Zelltod führt. Genau diese Endothelzellen bilden die innere Schicht aller Gefäße im Körper. Im Gehirn haben diese Gefäße ganz spezielle Eigenschaften, um eine dichte Schnittstelle zwischen Blut und Gewebe, die sogenannte Blut-Hirn-Schranke, zu bilden. Kommt es allerdings zu einem Zelltod, so bleibt nur die äußere Hülle der Gefäße übrig, die aber dann nicht mehr von Blut durchströmt werden kann.
Neuer Behandlungsansatz?
Dieses Phänomen entdeckten die Forscher in Gehirnproben von verstorbenen Covid-19-Patienten und in Zell- und Tiermodellen einer SARS-CoV-2-Infektion. Durch den Einsatz von hochentwickelten Techniken konnte gezeigt werden, dass die SARS-CoV-2- Hauptprotease Mpro ein Protein des Menschen, auch NEMO genannt, spaltet. Genau dieses Protein ist wiederum für das Überleben von Gehirnendothelzellen notwendig – seine Spaltung führt zum Untergang von Blutgefäßen durch sogenannte Nekroptose. Die Autoren der Studie konnten zeigen, dass die Blockierung der Nekroptose die Durchblutung des Gehirns von Mäusen verbessert. Nun wird gehofft, dass auf diese Weise Long-Covid-Symptome wie das sogenannte Fatigue-Syndrom oder kognitive Beeinträchtigungen, die selbst Kinder und Betroffene mit anfänglich nur leichten Symptomen betreffen, behandelt werden können. Diese wegweisende Studie, die im Fachjournal Nature Neuroscience veröffentlicht wurde, bringt damit den ersten Beweis für eine direkte Wirkung von SARS-CoV-2 auf die Gefäße des Gehirns und bietet zudem eine potentielle neuartige Strategie zur Überwindung neurologischer Folgen von Covid-19.
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